SWR1 Begegnungen

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Rainer SchnebelWolf-Dieter Steinmann trifft Rainer Schnebel, „Männerarbeiter“ in der evangelischen Kirche Baden, Offenburg

Mannsein und trotzdem religiös

‚Auch Männer sind religiös.‘ Davon ist er überzeugt. Vielleicht anders religiös als Frauen. Über Glauben reden, naja. Aber er erlebt es seit Jahren, wenn er mit 60 Jungs und jungen Männern Freizeiten macht. Da singen und beten sie. Coole Kerle berührt und ergriffen.

Abends noch mal am Lagerkreuz oder am Lagerfeuer, was noch viel spiritueller ist. Wenn ich ein Feuer anmache und mit Männern drumrum sitze, das funktioniert fast immer. ‚Der Mond ist aufgegangen‘ am Lagerfeuer zu singen, wenn 60 Jungs da im Kreis stehen, das ist natürlich schon mal ein Erlebnis.

Rainer Schnebel ist Jugend- und Männerreferent in der Badischen Landeskirche. Und auf der Suche, wie Männer „religiös“ ansprechbar sind. Er geht da auch von sich aus. Seine Frömmigkeit hat ihre Wurzeln auf dem Bauernhof der Eltern. Lange Jahre war er weg davon. Und ist gereift zurückgekommen. Braucht das neben dem Beruf in der Kirche.

Persönlich bewirtschafte ich mit meiner Frau noch einen kleinen Biobetrieb, wo die Selbstvermarktung meine Frau macht. Das ist keine Arbeit, sondern das ist dann die Erholung. Abends so auf dem Traktor sitzen und dann raus fahren.
Bei uns auf dem Dorf war Kirche, Religion und Landwirtschaft eine Einheit. Die Frömmigkeit hatte etwas mit der Bodenständigkeit zu tun.

Ich nenne das „Erntedankfrömmigkeit“. Wer Land bewirtschaftet oder einen Garten erlebt, wir leben davon, was die Schöpfung gibt. Und weiß: Es braucht den Segen von oben. Damit die Kraft, die man einsetzt, Ertrag bringt. Da sieht er auch Ursachen, wo Männer religiös sind.

Vielleicht von Emotionen eher im Unterbewussten gesteuert zu sein und nicht sprachlich alles ausdrücken zu können.
Das hängt eng zusammen mit maskulinen Energien. Wir haben auch feminine Energien. Das hängt auch zusammen mit dem Körperbau, kraftorientiert, sehr handlungsorientiert zu sein. Das ist eine leitende Idee wie Männer für sich entdecken, was für sie gut und schlecht ist. Also wo sie auch ihre Seele leben.

Gottesdienste am Sonntag sprechen diese männliche Identität kaum an. Im Gegenteil. Zur Ruhe zu kommen im Gottesdienst war gut, solange hart körperlich gearbeitet wurde. Aber viele arbeiten heute unkörperlicher.

Dieser Wandel hat natürlich auch den kirchlichen Nachteil, man braucht den Sonntagmorgengottesdienst nicht mehr, um sich auszuruhen. Sonntagmorgen braucht man eher, um ins Fitnessstudio zu gehen.

Rainer Schnebel lädt Männer zu Veranstaltungen ein, wo man körperlich da sein kann und seelisch. Zb. beim Pilgern auf den Berg.

Diese Tiefe, die da entsteht, nachts mit jemand ohne Taschenlampe und alles durch den Wald zu laufen. Stationen zu haben, miteinander ins Gespräch zu kommen, an einer Quelle zu stehen oder oben auf dem Berg das Leben über der Stadt zu erfahren. Da geht es darum, alltagstauglich einen Impuls zu bekommen.

Alltagstaugliche Erfahrungen für Männer findet er aber auch in der Bibel. Mose - echt Mann - begegnet Gott im Feuer. Oder Jakob, der nachts hart kämpfen muss.

Da ist natürlich ganz viel Identität des Mannes drin. Dh. ich ringe mit Gott, werde auch verletzt und komme dann heraus mit einer Wunde aber mit dem Wissen, wer ich jetzt bin. Ich habe mit durchgerungen ins Leben.

Kirchen haben ein Vermittlungsproblem Männern gegenüber. Aber Rainer Schnebel hat Ideen.

 „Mannsein“ in der Kirche wahrnehmen

Er ist sich und anderen Männer auf der Spur. Und ihrer Religiosität. Man spürt das Feuer in ihm: Er ist überzeugt, dass im christlichen Glauben Kraft steckt zu leben. Aber nicht um irgendein Stereotyp von Männlichkeit zu erfüllen, sondern um ‚Mann‘ selbst zu sein und zu werden.

Ich beobachte eine Religiosität. Das Bedürfnis irgendwo eine Kraftquelle zu haben. Aber das hängt weniger an Texten, göttlichen Offenbarungen, wie an Erfahrungen und an Handlungen. Männlichkeit ist nicht der Begriff, mit dem ich gern arbeiten würde, sondern „Mann-Sein“. Es gibt auch keine männliche Spiritualität, sondern die Spiritualität des Mannes.

Das ist mir sehr sympathisch, dass er uns Männer nicht in Schablonen presst. Davon haben wir genug gehabt. Ich bin wohl eher der Kopftyp, mittendrin, wenn in der Kirche theoretisch gedacht wird. Aber viele spricht das nicht an.

Wo wir schlecht sind, ist die Transformation dieses kindlichen Jesusbildes in das Erwachsenenleben eines Mannes. Also das was Jesus eigentlich mit seinen Jüngern gemacht hat. Dass er klar gemacht hat, der Glaube an Gott hat etwas mit Deinem Leben zu tun.

In der Bibel spielt das oft eine Rolle: Jesus war Zimmermannssohn, seine Jünger: Fischer, Handwerker. Glaubenspraktiker. Petrus zB: Will seiner Überzeugung folgen. Held zu sein. Wer hat als Mann noch nie versucht? Und muss erleben, wie er scheitert. Aber das Wichtigste. Petrus erlebt auch: Dass man wieder aufstehen kann.

Der schon auch den Männern sehr nahe ist, von der Erfahrung her – wenn sie es an sich ranlassen. Dieses für etwas-begeistert-Sein und dann doch – im wahrsten Sinn des Worte – den Schwanz einziehen, dann, wenn es ernst wird.

Rainer Schnebel hat mich überzeugt, es ist lohnend, im Glauben und in der Bibel nach Kraft für mein Mannsein zu suchen.

Aber warum braucht es in der Kirche dafür eigene Angebote? Warum reden wir Männer und Frauen nicht drüber, wie verschieden religiös wir sind?

Weil Männer und Frauen Eigenarten haben, wie sie und auf etwas ansprechbar sind. Wir müssen uns um die Bedürfnisse von Männern kümmern und müssen wissen, was sie brauchen und das müssen wir ihnen anbieten, damit sie mit uns als Kirche in Resonanz kommen können.

Er sieht darin eine große Herausforderung auch für Gemeinden. Jeder und jede sollte das anstreben, wenn sie Menschen begegnen. Von der Kanzel, im Unterricht, im Alltag: Die alltäglichen Lebenskontexte der Menschen zu treffen, speziell der Männer. Er sieht viele Themen, in denen Glaube alltagstauglich ist.

Gerechtigkeit, Fairness, Umgang miteinander. Das sind auch die Punkte wo Männer immer noch heute sagen: „Da ist Kirche gut.“ Aber auch diesen Sinn des Lebens für sich entdecken, da das Angebot des christlichen Glaubens zu haben und das auch transformieren. Dass ich sage: ‚Das hat was mit meinem Leben zu tun.‘

Und vor einem warnt Rainer Schnebel noch: Nicht leicht rüberkommen. Ich glaube, weil er das als Mann selbst nicht mag. Was zu leicht daherkommt, dem trauen Männer keine Kraft zu.

Männer wollen nicht beglückt werden mit irgendwas, auch nicht gepampert, sondern sie wollen herausgefordert sein, sie müssen selber entdecken und dann muss man ihnen manchmal auch etwas zumuten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22508
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