SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Jeder Mensch will zu anderen dazu gehören. Wir brauchen das. Man kann nicht bloß als „ICH“ leben. Man braucht auch ein „Wirgefühl“. Dumm ist bloß: Manchmal gibt es deswegen Händel.

Jeder will irgendwo dazugehören. Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Wenn ich als Kind jemand im Dorf begegnet bin und der hat mich nicht gekannt. Hat der gefragt: ‚Wem ghörsch denn du?‘ Antwort: „Steinmanns.“ Ich habe gewusst, das ist mein Familienname, da gehöre ich dazu. Klar war, wer zu den Steinmanns gehört, der gehört nicht zu den Meiers oder Yilmaz.

Das ist an und für sich auch kein Problem. Problematisch wird es aber, wenn andere keine Chance haben, da hinein zu kommen. Manchmal war und ist es ja schon ein Problem, wenn eine Schwiegertochter aus dem Nachbardorf kam. Oder aus einer anderen Gegend kommt. Wenn sie fremd ist. Bis die wirklich dazugehören, das kann sehr lang dauern. Und den Betroffenen sehr wehtun.
Und wie es im Kleinen ist, so ist es auch im Großen. Im Ausland wird man gefragt. Wer bist Du? Deutscher.

Allerdings, auch da gibt es Streit: Wer ist Deutscher? Kommt es auf die Abstammung an, aufs Blut gewissermaßen? Muss man weiß sein? Christ? Oder kann auch ein Schwarzer oder ein Moslem Deutscher sein? Ich finde ja, es reicht vollkommen, wenn jemand einen deutschen Pass hat und zum Grundgesetz steht. Aber andere meinen, das reicht nicht. Wer nicht aus demselben „Stall“ kommt, der kann nicht dazu gehören.

Was braucht es, damit man dazugehört. Darum haben Menschen immer wieder gestritten. Es gibt Gewalt und manchmal Mord und Totschlag zwischen denen, die dazu gehören und denen, die angeblich draußen sind. Hört das nie auf?

Auch in der Religion ist das manchmal so. „Ich bin getauft. Ich glaube an Jesus Christus. Ich gehör zu den Christen.“ Nicht zu den Muslimen, den Juden, oder Atheisten. Aber wir erleben immer wieder, hier kann es schnell heikel werden.

Vor 2500 Jahren haben Juden geglaubt. Wer Jude ist, gehört zu Gott.

Dann kamen die Christen. Sie haben an Jesus, den Juden, geglaubt und gesagt: Wir sind auch Kinder Gottes. Auf die Abstammung kommt es nicht an. Sondern auf den Glauben. Der Streit, wer gehört dazu, zur wahren Religion, ist alt. Und er hat viel Leid mit sich gebracht. Denn, wenn es um Religion geht, geht es für viele um alles.

Wer gehört wirklich zu Gott? Wer ist auf der richtigen Seite? Wer darf zu Gott Vater sagen? Paulus, der jüdische Gelehrte, hatte damals eine Idee, wie man den Streit lösen kann: Der Streit hört auf, wenn alle daran glauben, dass Gott barmherzig ist. Allen. Wenn nicht die einen denken, „wir ja, die aber nicht“, sondern wenn alle wissen. Zu Gott gehören wir, weil er sich über alle erbarmt. Wie ein guter Vater für alle Menschen.

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Dann ist der Islam entstanden, und es ist weiter gegangen mit dem Streit. Juden und Muslime sagen zB. beide: Unser Stammvater ist Abraham. So weit, so einig. Aber dann geht es auseinander. Juden sagen: ‚Wir stammen von Abrahams Sohn Isaak ab. Der ist der wahre Erbe Abrahams. Wir sind Kinder Isaaks. ‚Stopp,‘ sagen da manche Muslime: ‚Wir stammen auch von Abraham ab. Aber von seinem Sohn Ismael. Und der war der Ältere. Der Erstgeborene. Und darum sind wir Muslime die wahren Erben Abrahams.‘

Juden und Muslime sind so nahe beieinander, und zugleich religiös oft spinnefeind. Aber so ist das ja auch oft bei Geschwistern. Weil sie meinen, sie müssten um die Liebe der Eltern konkurrieren.

Wir Christen haben von Paulus gelernt, für die Liebe Gottes kommt es nicht auf die Abstammung an. Entscheidend ist, dass Gott die Liebe ist. Wir Christen sehen das an Jesus. Zu Gott gehört man nicht, weil man als Jude, als Muslim oder als Christ geboren ist. Gott liebt Menschen, weil er barmherzig ist wie ein guter Vater.

Allerdings da steckt auch eine Versuchung drin: Immer wieder - bis heute – haben Christen gesagt: Wer nicht an Jesus Christus glaubt, wie Juden und Muslime, hat nicht die richtige Religion. Der gehört nicht zu Gott. Aber so wird aus dem „Dazugehören“, leicht ein Runterschauen auf andere. Und ein, ‚der gehört nicht dazu.‘

Wie kann der Streit zwischen Christen Muslimen und Juden aus der Welt kommen? Er hat schon so viel Leid über Menschen gebracht. Könnte die Lösung nicht sein, dass wir uns ernsthaft an Paulus halten.

Wie hat er gesagt? Es kommt nicht auf die Abstammung an. Es kann nicht sein, dass Gott nur die Menschen liebt, die aus einer bestimmten „Linie“ stammen. Es kann nicht sein, dass Gott Menschen ablehnt wegen ihrer Hautfarbe oder ihrem Geschlecht oder wegen ihrer Religion. Auch Christen dürfen sich nicht einbilden, dass wir über Gottes Liebe verfügen können. Wörtlich hat Paulus geschrieben: Es kommt nicht darauf an, ob der Mensch etwas will oder ob er sich abmüht. Sondern es kommt allein auf Gottes Erbarmen an. Zu Gott gehören Menschen, weil Gott barmherzig ist. Wen er liebt, das kann ihm keiner vorschreiben. Ich bin als Christ nicht besser als die anderen. Wir können nur hoffen, dass wir als Juden, Christen und Muslime ihm recht sind. Und es auch recht machen. Gott darin nacheifern, dass wir auch barmherzig zu andern Menschen sind. Ich wünsche Ihnen eine guten Sonntag und eine schöne Woche.

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Allerdings gehören nicht alle, die aus Israel stammen, auch wirklich zu Israel.
7 Genauso wenig sind alle Menschen, die von Abraham abstammen, auch wirklich seine Nachkommen. Sondern Gott hatte gesagt:
»Die Nachkommen Isaaks sollen als deine Nachkommen gelten.«
8 Das heißt: Die leiblichen Nachkommen von Abraham sind nicht zwangsläufig Kinder Gottes.
Vielmehr gelten nur diejenigen wirklich als seine Nachkommen, die auf die Welt kamen, weil Gott es versprochen hat.
14Was sollen wir dazu sagen?
Etwa: »Ist Gott nicht ungerecht!«? Auf keinen Fall!
15Er sagt ja zu Mose: »Ich werde dem mein Erbarmen schenken, mit dem ich Erbarmen habe.
Und ich werde dem mein Mitleid zeigen, mit dem ich Mitleid habe.«
16Es kommt also nicht darauf an, ob der Mensch etwas will oder ob er sich abmüht. Sondern es kommt allein auf Gottes Erbarmen an.

Römer 9, 6-16

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