Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein Kind, das nicht gewollt ist. Das von den Eltern abgelehnt oder kaum wahrgenommen wird. Mich macht so eine Geschichte immer traurig. Und ich frage mich: was wird aus so einem Kind? Vor kurzem hat mir ein Mann seine Geschichte erzählt. Er war das jüngste von fünf Brüdern. „Alle hatten sich unbedingt ein Mädchen gewünscht“, erzählte er mir, „und waren dann furchtbar enttäuscht…“

Als Mutter kann ich mir gut vorstellen, dass  die Energie bei 5 Jungen ziemlich überstrapaziert war. Mich haben allein zwei Kinder gelegentlich an meine Grenzen gebracht.
Nur traurig, wenn ein Kind das so deutlich spürt. Wenn sich das als Grund-gefühl durchs Leben zieht - das kann zu einer ganz schönen Bürde werden.

 „Es gibt da eine Geschichte, die setzt dem Fass die Krone auf“, erzählt der Mann weiter. Aber er muss dabei selber lachen.
Eines Nachmittags, als er noch ein Baby war, fanden seine Brüder, es sei an der Zeit zu handeln. In der Nachbarschaft war ein kleines Mädchen auf die Welt gekommen. Es war Sommer und das Kind lag draußen im Kinderwagen. Da haben sie den kleinen Bruder genommen und die Babys einfach ausgetauscht.
„Und was mich an der Geschichte am meisten empört“, erzählt er, „wissen Sie, wann meine Eltern das bemerkt haben? Am späten Abend!“  
"
Naja“,  sage ich, „immerhin: die anderen Eltern waren auch nicht schneller…“ 
Wir müssen Tränen lachen.

Das muss man sich mal vorstellen: Wie die Kinder das kleine Mädchen schlafend im Kinderwagen entdecken, und ruck-zuck einen Plan aushecken… - Kinder haben manchmal einen gnadenlosen Sinn fürs Praktische - ohne sich auch nur im Mindesten um die Folgen zu scheren…

Man fragt sich natürlich auch: Bei welcher Gelegenheit haben die Eltern den Tausch wohl bemerkt? Vielleicht beim Wickeln? Und dann haben sie sich ihr Kind erstmal richtig angeschaut…?

Was ich an der Geschichte erstaunlich finde: Als 5. Kind groß zu werden, ist ja eine echte Lebensaufgabe. Trotzdem hat der Mann es geschafft, zu einem fröhlichen Menschen heranzuwachsen. Offenbar hat Gott ihn mit viel seelischer Robustheit gesegnet. Und manchmal genügt es für ein Kind, wenn noch ein anderer Mensch segnend die Hand über es hält – die Oma, die Tante. Oder ein freundlicher Lehrer, der es fördert.

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