SWR2 Wort zum Tag

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Die Geschichte ist verstörend. Und gerade sie gehört zum Erbe von Juden und Christen und auch von Muslimen: Die Geschichte von Abraham und Isaak, Vater und Sohn, im Alten Testament. Das Verstörende ist: Ein Vater ist bereit, aus Gehorsam zu seinem Gott, seinen Sohn zu opfern. „Isaaks Opferung“, so heißt die Geschichte im christlich geprägten Kontext. Anders in der jüdischen Tradition. Juden sagen „Isaaks Bindung.“

Man könnte sagen: Kein Wunder, dass Religionen eine Gewaltgeschichte haben. Wenn man solche Geschichten in seinem Erbe mit sich „herumschleppt“.

Allerdings, ich muss genauer sein. Eine Gewaltgeschichte haben ja vor allem wir Christen und Muslime. Juden waren fast immer Opfer. Vielleicht sind sie auch deshalb genauer und sagen nicht: Isaaks „Opferung“, sondern „Bindung“.

Denn in der biblischen Geschichte kommt es gerade nicht zum Letzten: Abraham, (1. Mose 22) wird erzählt, habe von Gott gehört, er solle seinen Sohn Isaak auf eine längere Reise nehmen und ihn am Ende opfern. Und dieser Vater tut das Unglaubliche. Er fragt nicht, er widerspricht der Stimme nicht, die er hört. Er nimmt seinen Sohn und geht. Wie eine Lawine scheint die Geschichte auf das schreckliche Ende hinzulaufen. Alternativlos. Wie eine griechische Tragödie. In der Menschen dem Schicksal nicht entrinnen können. Aber hier in der Bibel ist es williger Gehorsam, der bereit ist, Menschenleben zu geben. Bis Gott selbst den Irrsinn stoppt. Statt des Sohnes einen Widder als Opfer nimmt und den Vater von seinem Wahngehorsam befreit.

Die jüdische Tradition hat sehr Recht, dass sie „Isaaks Bindung“ sagt. Soll heißen: Ein Mensch, ein Vater, bindet seinen Sohn. Dass der Opfer wird, das unterbindet Gott. Keine „Opferung“. Der Gott, von dem Juden, Christen und Muslime in dieser Geschichte erzählen, schafft Menschenopfer ab. Es hat sie in Palästina wohl wirklich gegeben. Bei Religionen in vorjüdischer Zeit. Aber der Gott der Bibel entbindet vom Menschenopfer.

Juden, Christen und Muslime tragen mit dieser Story keine Gewaltgeschichte im Gepäck, im Gegenteil: Gott befreit von der Versuchung, die Menschen bis heute immer wieder überfällt. Andere zu Opfern machen. Für einen Glauben, sei er religiös, oder politisch oder sonst wie.

Gott befreit von der Anmaßung, andere zu opfern für eigene Interessen.
Überzeugungen, und die reichen heute von Religionen bis zu wirtschaftlichen Interessen, die erlauben oder befehlen, andere Menschen zu entmenschlichen. Oder ihnen Leben vorenthalten. Solche Überzeugungen verbreiten Terror. Wer an den Gott Abrahams glaubt, muss da unterbinden.

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22311
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