SWR1 Begegnungen

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Wolf-Dieter Steinmann trifft Gisela Kirchberg-Krüger, leidenschaftliche Posaunenbläserin aus Karlsruhe.
Gisela Kirchberg-Krüger
Gut, dass die Zeiten vorbei sind: Lange war der heutige Fronleichnamstag ein „Zankapfel“ zwischen evangelisch und katholisch. Manch evangelischer Bauer hat da früher Heu eingebracht, auch mal durch die Prozession. Heute findet Gisela Kirchberg- Krüger Fronleichnam eine Möglichkeit, dass Christen gemeinsam auf die Straße gehen. Beim Katholikentag in Leipzig und bei ihnen, im Karlsruher Nordosten.

Und zwar wird der Posaunenchor die Fronleichnamsprozession der katholischen Kirchengemeinden begleiten. Wir werden an drei Stellen blasen. Das ist einfach Ökumene, das ist schön, dass wir angefragt werden, dass man unser Spiel schön findet, dass wir das ureigene tun als „mobile Orgeln“, dass wir überall einsetzbar sind.

Posaunenchöre als „mobile Orgeln“ sind eine evangelische „Erfindung“, 200 Jahre alt. Sie tragen den Glauben aus der Kirche hinaus zu den Leuten. Mit Musik. Lange waren Posaunenchöre Männersache. Bis Frauen kamen wie Gisela Kirchberg-Krüger. Vor 20 Jahren, mit 40, hatte sie das Gefühl:

Ich muss jetzt noch mal was ganz anderes machen, was Neues anfangen. Dann habe ich Posaunenchor ganz abgelehnt, merkwürdigerweise, und das was man am weitesten wirft, da landet man ja am Schluss. Warum das bei der Musik gelandet ist, kann ich einfach nicht mehr sagen.

Sie hat es nie bereut. Weder mit 40 etwas Neues zu machen. Noch, dass es Posaunenchor wurde. Im Gegenteil. Heute spielt sie in 2 Chören. Sie hat so viel Musik nachzuholen.

Konzentration auf etwas ganz Anderes. Bemühen um den richtigen Takt, den richtigen Rhythmus, die richtigen Noten. Man spielt, schon nach wenigen Tönen ist man völlig weg von dem, was einen eigentlich belastet. Und wenn man nach zwei Stunden rausgeht, ist man ein anderer Mensch: befreit, entspannt und glücklich.

Ich glaube, jeder braucht etwas zum neu werden. Spüren, das Leben ist mehr als „müssen“. Es ist „können.“ Am besten geht das wohl miteinander. Bei Gisela Kirchberg-Krüger, wenn sie mit Anderen ein neues Stück probt.

‚Mein Gott, krieg ich ja gar nicht hin. Man spielt und man probt noch mal, dann merkt man schon: ‚aha‘. Und am Schluss steht das fertige Stück da und das hat man geschafft. Das ist so, als ob man etwas handwerklich macht, wo man mit lauter Einzelteilen anfängt und nachher ist was auch immer fertig. Und dann, die Menschen zu erfreuen in Gottesdiensten und zur Ehre Gottes zu spielen, das ist eine wunderbare Aufgabe.

Ich nenne das ‚in den Flow kommen‘: Wenn das Leben fließt, in mir und mit anderen zusammen. Ich spüre in solchen Momenten auch Gott. Dass er doch irgendwie in allem ist. Gisela Kirchberg- Krüger hat wohl ähnliches erlebt.

Ich bin gefestigter im Glauben, bin näher rangekommen. Zweifel und bin unsicher, aber meine Beziehung ist stärker geworden, zu Gott, mehr als zur Kirche wahrscheinlich.

Obwohl sie halbtags dort arbeitet. Und sich engagiert. Als stellvertretende Landesobfrau der Posaunenarbeit in Baden. Und sie freut sich, dass es Nachwuchsbläser gibt.

Das sind junge Leute, die mit einer Power und mit einer Begeisterung spielen, das ist wunderbar. Und Landesposaunentage, quellen sozusagen auch über von jungen Leuten.

Ihr Gesicht: Musik beseelt. Darum freut sie sich auch so auf Dresden nächste Woche: Worauf genau, erzähle ich nach dem nächsten Titel.

 

Teil 2  …. nach Dresden

Vor 20 Jahren hat Gisela Kirchberg-Krüger gemeint: ‚Ich muss noch mal was Neues machen.‘ Und hat Posaune gelernt. Heute mit 60 spielt sie in zwei Chören. Ist stellvertretende Obfrau der evangelischen Posaunenarbeit in Baden. Beim Musikmachen spürt sie den Flow des Lebens. Aber auch wenn die gelernte Lehrerin Menschen berät. In Sachen Deutsch:

Rechtschreibung und alles was mit der deutschen Sprache zu tun hat. Dann rufen die Leute an und sagen: ‘Also hören Sie mal, mein Kind ist in der 3. Klasse und die Lehrerin sagt soundso, aber das kann doch überhaupt nicht sein und was stimmt denn jetzt.‘

Deutsch am Telefon, 2 Chöre, Familie, ehrenamtliches Engagement, Halbtagsarbeit in der Kirche. Schon vielfältig was sie macht. Mancher würde sich da verzetteln. Bei ihr habe ich das Gefühl, sie hat eine Mitte, die alles hält.

Ich bin ein zutiefst dankbarer Mensch. Und wenn ich dann einen Choral habe wie ‚nun danket alle Gott‘. Das ist genau das, was ich tue: mit einem vollen Herzen, mit dem Mund, mit den Händen, den Fingern auf den Ventilen und spiele und einfach nur glücklich und dankbar, dass ich dieses - nicht sehr ausgeprägte aber immerhin - Talent habe, dieses Instrument spielen zu können.

Sie teilt diese Freude mit 120.000 anderen in Deutschland. So viele spielen in evangelischen Posaunenchören. Die inzwischen aber längst ökumenisch besetzt sind.

Ungefähr 7000 Chöre, jede Woche eine Probe, Konzerte, Ostermorgen ganz früh auf dem Friedhof, auf dem Weihnachtsmarkt, alle dabei, machen immer mit.

Über 17000 kommen Anfang Juni nach Dresden zum Deutschen Posaunentag. Fast alle aus Deutschland. Aber Gisela Kirchberg-Krüger freut sich auch auf eine Gruppe aus Südafrika, die sie bisher nur schriftlich kennt.

Das ist so unglaublich, so viele Bläser und Bläserinnen zu treffen, das ist Familientreffen. Bläser sind kameradschaftlich und unkompliziert und mit denen zusammen zu sein, das ist einfach schön und dann in dieser Masse zu spielen, diesen wunderbaren Lieder, herrlich.

Ich habe oft ein bisschen Bauchschmerzen bei Massenevents. Aber wenn ich mir den Samstagabend vorstelle: Da spielen sie auf den Elbwiesen. Blick direkt auf die angestrahlte Dresdner Altstadt. Und dann Musik zu Tausenden.

Dieses Gefühl, mit so vielen Menschen zusammen, eine Sache zu verfolgen. Dass so viele so begeistert sind von diesem Massenblasen auch. Das ist fast nicht in Worte zu fassen.

 

 

Auf 100 Plätzen werden sie Dresden zum Klingen bringen. Vielleicht sogar zum Beben: Laut, heiter und menschenfreundlich. Für sie ist das auch ein Gegenklang zu Pediga.

 

Das ist doch jetzt eigentlich herrlich, dass man in Dresden jetzt zeigen kann, es können ganz viele Menschen zusammenkommen, öffentlich auftreten in einer fröhlichen und friedlichen Art und Weise. Machen Musik, spielen wunderbare Choräle, laden die Menschen ein, mitzumachen. Ist doch ein schöner Gegenpol.

 

Keine Wutparolen gegen Fremde. Gisela Kirchberg-Krüger und die Posaunen loben lieber. Den Schöpfer aller Menschen. Ich hoffe, viele hören es und stimmen ein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22044
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