SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1: Sie hat dir das Leben geschenkt, schenk du ihr diesen Tag

„Liebe macht alles möglich.“ Unter diesem Motto hat eine große deutsche Autofirma in diesen Tagen ein Video zum Muttertag in die sozialen Netzwerke gestellt. Es wird die Geschichte eines Sohnes erzählt, der seine größten Ängste überwindet, nur um seiner Mutter einen unvergesslichen Tag zu schenken: Wochenlang kämpft er in einer Fallschirmsprungschule mit seiner Höhenangst. Als er diese endlich besiegt, holt er seine Mutter im Seniorenheim ab und überrascht sie mit einem Tandem-Sprung. Er springt gemeinsam mit seiner Mutter mit dem Fallschirm. In der Schlussszene sieht man wie die Mutter voller Begeisterung und ganz glücklich mit ihm durch die Lüfte schwebt. Und es wird der Satz eingeblendet: „Sie hat dir das Leben geschenkt, schenk du ihr diesen Tag.“ Es ist ein sehr emotional gemachter Film. Er kommt ganz ohne Sprache aus, die Bilder sprechen für sich. Direkte Werbung kommt eigentlich nicht vor, wenn man mal davon absieht, dass der Sohn natürlich mit einem Auto dieser Marke durch die Gegend fährt. Und die Autofirma in einem Begleittext zu einem Ideenwettbewerb aufruft, in dem sie verspricht den besten 20 Muttertagsideen ein Auto ihrer Marke für ein Wochenende zur Verfügung zu stellen. Der Muttertag in seiner heutigen Prägung geht auf das Engagement von Anna Maria Jarvis Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Sie war ein aktives Mitglied der methodistischen Kirche in West Virginia / USA. Sie setzte alles daran, einen eigenen Gedenktag für die Mütter zu schaffen. Es ging ihr darum, dass die Leistung der Mütter gerade in der Familienarbeit und der Erziehung der Kinder gewürdigt wird. Im Jahre 1914 hatte sie es erreicht. Der zweite Sonntag im Mai wurde als nationaler Gedenktag für die Mütter vom Kongress in Washington beschlossen. Einige Jahre später hat die fromme Frau ihren Einsatz aber bereut. Sie hatte gemerkt, welche Kommerzialisierung der Tag erfahren hatte, und wollte ihn wieder abgeschafft wissen. Aber die Uhr ließ sich nicht mehr zurückdrehen. Und von Amerika aus hat der Muttertag seinen Einzug auch in Europa gehalten. Und damit auch das Geschäft mit dem Muttertag.

Ich weiß nicht, was Frau Jarvis zu diesem Film sagen würde. Ob der Inhalt für sie ok wäre und der Kommerz noch ertragbar. Ich selbst habe versucht den Film an dem biblischen Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren“ zu messen. Und bin dabei zu einem geteilten Urteil gekommen. Mehr dazu gleich nach der Musik. 

Teil 2: Du sollst Vater und Mutter ehren

In den SWR 4 Sonntagsgedanken geht es heute um ein Video einer großen deutschen Automobilfirma und das Vierte der Zehn Gebote: „Du sollst Vater und Mutter ehren.“ In dem Video macht ein erwachsener Mann zum Muttertag einen Tandemfallschirmsprung mit seiner alten, im Seniorenheim lebenden, Mutter. Was ich gut an diesem Video finde und worin es sich von vielen anderen Muttertagswerbungen absetzt: Es geht um die Beziehung zwischen einem erwachsenen Mann und seiner alten Mutter. Meist werden in der Muttertagswerbung nämlich kleine Kinder gezeigt, die in welcher Weise auch immer ihre Liebe zu ihrer Mutter zum Ausdruck bringen. Da werden schon mal einem Säugling die Worte in den Mund gelegt: „Ich bin ein Teil von Dir, ich liebe Dich Mama“ oder andere lieblich klingende Sätze. Da ist dieser Film anders und näher am biblischen Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren.“ Denn die Zehn Gebote in der Bibel wenden sich nicht an Kinder. Sie sind Anweisungen für Erwachsene. Bei dem Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ geht es eben nicht um das richtige Verhalten von unmündigen Kindern zu ihren Eltern, sondern um die Verpflichtungen von erwachsenen Kindern zu ihren alt gewordenen Eltern. Deshalb ist der Film für meine Begriffe durchaus ein positiver Beitrag zum Vierten Gebot. Nur meint die Bibel mit „Ehren“ von Vater und Mutter bedeutend mehr als einmal im Jahr etwas Verrücktes mit ihnen zu tun. „Sie hat dir das Leben geschenkt, schenk du ihr diesen Tag“ das reicht nicht. Und hier liegt die Schwäche des Films. Das „Ehren“ in der Bibel muss man eigentlich mit „sorgen für“ übersetzen. Es geht nicht um ein diffuses Ehren der Eltern, sondern ganz konkret auch wirtschaftlich für sie zu sorgen. Es geht nicht um eine Nettigkeit einmal im Jahr, sondern das Gebot ist die Grundlage des auch in der Bibel geforderten Generationenvertrages. In der momentan wieder aufflammenden Diskussion um die Sicherheit der Renten halte ich das für eine klare Position der Bibel. Das Vierte Gebot verpflichtet die Jungen für die Alten zu sorgen – fertig. Einseitige Verpflichtung für die Jungen - könnte man meinen. Aber das Gebot hat noch einen Zusatz, der alle Jungen daran erinnert, dass auch sie einmal alt sein werden und dann die neuen Jungen brauchen: Du sollst Vater und Mutter ehren, damit du lange lebst auf Erden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21951
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