SWR1 Begegnungen

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Roland JourdanWolf-Dieter Steinmann trifft Roland Jourdan, „Waldenser“ in 11. Generation, Ka-Palmbach

„Waldenser in 11. Generation“

Endlich einer, der mir das erklären kann: Großvillars, Pinache, Serres, wie kommen diese französischen Ortsnamen zwischen Karlsruhe und Stuttgart? Und „Palmbach“? Palmen hab ich da noch nie gesehen. In Namen klingen oft Wurzeln durch. Wie auch bei seinem Nachnamen „Jourdan“- mit o-u geschrieben.

Ich bin beruflich viel in Pforzheim tätig. Da gibt es auch viele Waldensergemeinden. Da wird der Name dann wieder gleich ausgesprochen: „Schordan“. Dagegen Karlsruhe, die Ecke, da ist man dann der Herr „Jordan“.

Bis vor 15 Jahren hat Roland Jourdan das kaum interessiert. Dann hatten sie „300 Jahre Palmbach“. Seither ist er auf Spurensuche. Er ist Waldenser in der 11. Generation. Und gibt vielen ein Gespür, woher sie kommen, auch seinen zwei Enkeln.

Ich habe über die Kirchenbücher geschafft, da mir das dann Spaß gemacht hat. Dh. ich habe zwischenzeitlich eine Datei mit etwa 2-3000 Personen, wo ich alle Nachkommen der Palmbacher Waldenser aufgelistet habe.

Vor über 300 Jahren sind ihre Vorfahren vertrieben worden. Von ihrem Landesherrn. Evangelisch war für ihn die „falsche Religion“. Deshalb wurden sie Glaubensflüchtlinge. Dabei waren sie nur einfache Bergbauern aus den Alpen, aus dem Dorf „La Balme“. Das wurde eingedeutscht zu „Palmbach“. Anzukommen war schwerer.

Die ersten 100 Jahre hat es bei mir keine deutschen Vorfahren gegeben väterlicherseits, erst im Jahr 1810 hat es dann die erste Heirat gegeben mit ‚deutschen Landesleuten‘, sagen wir mal, aus Grünwettersbach.

Das Nachbardorf liegt bloß einen Kilometer entfernt. Aber das erleben wir heute wieder wie fremd man einander bleiben kann.

Im Prinzip haben damals die Deutschen mit den „Franzosen“ nichts zu tun haben wollen. Hat auch sprachlich nicht gepasst. Und Palmbach und Grünwettersbach war württembergisch, außen herum war Baden. Dh. man hat auch nicht grenzübergreifend mit anderen Ländern heiraten dürfen.

Roland Jourdan war immer aktiv im Dorf. Die Geschichte zu kennen hat das Engagement vertieft.

Als Kommandant der Feuerwehr habe ich mit das Ortsjubiläum organisiert. Das hat dann Spaß gemacht. Dann kam das Thema „Waldenserweg- Waldenserdenkmal“ dazu, so dass mir erst einmal die Ortsgeschichte wichtig war. Das Religiöse ist dann erst dazugekommen.

Heute gibt er weiter, was es heißt: flüchten aus Glauben. Waldenser gab es weit früher als Evangelische. Sie wurden verfolgt in Frankreich von Anfang an. Auch nachdem sie evangelisch geworden sind. „Glaubensflüchtling“ hat ihm noch sein Großvater eingeprägt, als Abgrenzung.

Wie man erzogen worden ist noch von meinem Opa, der im Prinzip immer darauf Wert gelegt hat, seine Vorfahren wurden vertrieben wegen dem evangelischen Glauben, er geht nicht in eine katholische Kirche, er ist evangelisch.

Zum Glück prägt ihn und mich das nicht mehr: Evangelisch, ja. Aber nicht abgrenzend. Sondern Christsein aus derselben Wurzel, die Energie gibt, um sich für und mit anderen zu engagieren. Roland Jourdan lernt daraus für heute.

 Wie „Fremde“ ankommen

Seit 300 Jahren leben Jourdans in Palmbach, einem Ortsteil von Karlsruhe. Roland Jourdan schätzt seine Wurzeln: Die Urururgroßeltern waren Waldenser, evangelisch, darum sind sie vertrieben worden. Die größte Vertreibung, die Europa aus religiösen Gründen je erlebt hat. Aber hier in Württemberg waren sie dann wieder falsch: „falsch-evangelisch“. Ein Pfarrer aus der Nachbarschaft hat damals geschrieben: ‚Französisch-reformiert ist schlimmer als „türkisch“. Müssen Flüchtlinge immer zwischen Baum und Borke geraten?

Im Wettersbacher Heimatbuch ist zu lesen, dass die Grünwettersbacher Bürger Einspruch eingelegt haben gegen die Ansiedlung im Ort und die Waldenser hofften eigentlich, wenn der Krieg vorbei ist, auf eine Rückkehr in ihre alte Heimat. Somit wurde dann von Regierungsseite bestimmt, dass Gemarkung abgetrennt wird.

Das Land hat dringend neue Bürger gebraucht. Es war von Krieg und Seuchen entvölkert. Der Herzog von Württemberg, ihr neuer Landesherr, wollte sie, hat kluge Einwanderungspolitik betrieben und den Flüchtlingen Privilegien zugestanden.

Freie Religionsausübung auch in französischer Sprache, durften ihre eigenen Lehrer, den eigenen Bürgermeister, die eigenen Schöffen bestimmen und ganz wichtig: Sie waren keine Leibeigenen.

Anders als manche Einheimischen. Weit über 100 Jahre sind Roland Jourdans Vorfahren kulturell für sich geblieben: „französisch“ und „reformiert“. Dann hat man ihre Angleichung per Gesetz erzwungen.

Da hat der Lehrer sein Amt niedergelegt, da haben die Einheimischen Protest gemacht. Die wollten also ihre französische Sprache behalten, obwohl die Jüngeren das Französisch, das gepredigt wurde, schon gar nicht mehr verstanden haben.

Daraus kann man lernen für heute, findet er:

Wenn man heute die Flüchtlinge in Orten ansiedelt in kleinen Gruppen, passiert das nicht, dass die im Prinzip über mehrere Generationen nur in ihrer Heimatsprache miteinander kommunizieren, sondern sie finden sich dann besser ein.

Tor des Ankommens in PalmbachAnscheinend ist die Herausforderung immer wieder gleich, seit Menschen fliehen müssen. Sie müssen ankommen, sich anpassen. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass sie sich in der Fremde an ihre Wurzeln erinnern. In Palmbach stehen 12 Tafeln, die davon erzählen.

Wir haben letztes Jahr angefangen, die Geschichte auf Texttafeln zu bringen und dann ist einem erst bewusst geworden: ‚Vor 300 Jahren waren unsere Vorfahren genauso Flüchtlinge wie wir heute‘. Eine moralische Verantwortung hat man auf jeden Fall, weil durch die Aufarbeitung der Waldensergeschichte hat man gemerkt, dass es doch einige Parallelen gibt.

Mir sagt das: Ankommen ist kein Kinderspiel. Flüchtlinge und Einheimische müssen gemeinsam dazu beitragen, dass die „Tür des Ankommens“ aufgeht. Das zeigt auch das Denk-Mal im Ort: 3 Meter hoch, massiv, aber durchbrochen von 3 querlaufenden Bändern, die Licht durchlassen.

Die Tür, leicht geöffnet, symbolisiert das Ankommen der Flüchtlinge in Palmbach und insgesamt mit den 4 Blöcken und den 3 Strahlen entsteht dann die biblische Zahl 7

Und erinnert an das Glaubensmotto der Vorfahren von Roland Jourdan: „Das Licht Gottes leuchtet in der Finsternis.“ Weil der überall hin mitgeht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21812
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