SWR3 Gedanken

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Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich verstanden habe, dass ich mal sterben werde. Da war ich sechs oder sieben. Ich weiß das deshalb noch so genau, weil mich das total umgehauen hat. Ich saß zuhause vor dem Kamin und hab geheult. Ich hab mich hilflos gefühlt und wusste gar nicht, wohin mit dieser Erkenntnis. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie es nach dem Leben weitergehen soll. Für mich war danach alles schwarz.

Meine Tante hat dann viel mit mir gesprochen. Sie hat versucht mir klar zu machen, dass der Tod zum Leben dazu gehört und dass wir alle sterben müssen. Sie hat auch von ihrem Glauben erzählt, dass es nach dem Tod weitergeht. Dass eben nicht alles aus ist. 

Ich hab bzw. hatte eine große Verwandtschaft mit vielen Großtanten und -onkeln. Plötzlich hat so eine richtige Sterbewelle eingesetzt. Viele von ihnen sind schnell hintereinander gestorben. Dann auch drei meiner Großeltern. 

Immer wenn jemand gestorben ist haben wir viel gesprochen und, was ich ganz wichtig finde, wir Kinder waren immer dabei. Wir haben uns auch die aufgebahrten Toten angesehen, wenn wir wollten. Und wir sind mit zu den Beerdigungen gegangen.

Ich habe schnell begriffen: Der Tod gehört zum Leben. Und er kann furchtbar grausam sein, wenn zum Beispiel Kinder oder einfach zu junge Leute sterben. Auch, wenn er allzu plötzlich kommt. 

Für uns Kinder hatte der Tod aber auch etwas Feierliches, denn er wurde tatsächlich gefeiert. Nicht nur auf dem Friedhof, sondern auch zu Hause: Das Haus war dann voller Leute. Es gab was Gutes zu essen und ich erinnere mich, dass die Erwachsenen immer erst mal ein Glas Sekt getrunken haben.

Ich glaube, das war das Rezept meiner Familie: dem Tod so zu begegnen, wie er selbst ist. Er gehört dazu und trifft meistens mitten ins Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21743
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