Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Im Krankenhaus sind mir schon Putzfrauen begegnet, die tun nicht nur ihre Arbeit. Die haben ein ganz feines Gespür für die Patienten. Und man bemerkt das gleich: wie rücksichtsvoll die ans Werk gehen. Und wie mitfühlend sie die Patienten ansehen.
In einem Krankenhaus, in dem ich als Seelsorgerin gearbeitet habe, da gab es eine Italienerin, die hat immer alles stehen und liegen lassen, wenn sie mich sah. Und dann hat sie mir erstmal einen kleinen Lagebericht gegeben.
Sie konnte mir genau sagen, wo gerade jemand weint oder einsam wirkt, und ein Gespräch braucht. Und sie lag - aus meiner Sicht - immer richtig.
In dem Krankenhaus, in dem ich jetzt arbeite, kenne ich auch solche Putzfrauen. Eine kommt aus der Dominikanischen Republik.
Wenn ich abends nach Hause gehe, laufen wir uns oft über den Weg.
Vor ein paar Tagen hat sie mich angehalten und gesagt, sie müsse mir unbedingt was erzählen. Und da solle ich auch mal drüber predigen, im Gottesdienst. Weil es so schön ist.
Und dann erzählt sie mir mit strahlendem Gesicht von den ganz neuen Erfahrungen, die sie gerade in Deutschland macht. – Und zwar, seit die vielen Flüchtlinge kommen. Sie wohne jetzt schon seit 25 Jahren hier, aber so etwas habe sie noch nicht erlebt:
„Die Flüchtlinge haben etwas verändert“, sagt sie. Die Menschen sind plötzlich anders; viel freundlicher und aufmerksamer. Und weil sie doch „Latina“ ist, also aus Lateinamerika, und so südländisch aussieht, wird sie nun ständig für ein Flüchtling gehalten.
Wenn sie nur so ganz normal vor einem Schaufenster steht und sich die Schuhe anschaut, sprechen die Leute sie plötzlich an und fragen, ob man ihr helfen könne. Hält sie nach dem Bus Ausschau, wird sie plötzlich gefragt, ob sie sich verlaufen hätte. Und wenn sie in der Handtasche nach ihrem Portemonnaie kramt, fragt gleich jemand, ob sie etwas braucht.
Sie sagt, es sei unglaublich! Vorher hätten die Leute sie kaum wahrgenommen. Und jetzt kann sie sich vor Hilfsbereitschaft kaum retten. Ständig muss sie abwinken und sagen: „Danke, aber ich brauche nichts.“
Und dann sagen die Leute verwundert: „Oh, Sie sprechen aber schon gut deutsch!“
Sie findet das so schön, ihr geht das Herz über. Sie spüre plötzlich viel mehr Liebe unter den Leuten. Und sie hofft und betet, dass es so bleibt.

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