Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Kind, du bist uns anvertraut…“ – So heißt ein Lied, dass gerne bei Taufen in der Kirche gesungen wird.„Kind, du bist uns anvertraut, wozu werden wir dich bringen?“
Ich finde, das ist ein schöner Gedanke: Kinder sind uns anvertraut. Wir haben sie nicht selber gebastelt und sie sind nicht unser Eigentum. Sie sind ein Geschenk - oder wenn man so will: eine kostbare Leihgabe Gottes.
Und wie wir damit umgehen, ist eine große - wenn nicht die größte Aufgabe überhaupt. Das Lied regt dazu an, darüber nachzudenken:
Wie gehen wir mit dieser Leihgabe um? Wozu werden wir sie bringen…?
Unser Sohn, beispielsweise, war als Kind von geradezu beeindruckender Langsamkeit. Eine Erzieherin meinte mal:
„Wenn alle Kinder rauslaufen, braucht Ihr Sohn so lange, bis er seine Schuhe angezogen hat, da kommen alle anderen Kinder schon wieder reingelaufen. – Was soll aus dem bloß mal werden?“
Das hat mich tief getroffen. Und ich dachte: „Oh, Gott, vielleicht wird aus meinem Kind mal nichts…?“

Deshalb wollte ich ihn dazu bringen, schneller zu werden. Aber er brauchte nur umso länger. Es war wirklich zum Auswachsen! Am Ende der Schulzeit, in den letzten drei Schuljahren, ist er an keinem einzigen Tag pünktlich in der Schule gewesen. Da konnte ich ihn morgens noch so antreiben!
Das brachte ihm dann in der Schülerzeitung den Titel ein: „Mister always late – Herr-immer-zu-spät“. Und „Mister Klassenclown“, was die Sache auch nicht eben besser machte…
Ja, und heute?
Heute hat er immer noch die Ruhe weg. Aber wenn es darauf ankommt, ist er alles andere als langsam. Und sogar pünktlich.
Also, von wegen „Was soll bloß mal aus dem werden?“ Und von wegen „wozu werden wir dich bringen?“ Das hat er ganz von alleine hingekriegt. Als ihm keiner mehr Druck gemacht hat.
Kinder sind eine kostbare Leihgabe Gottes. Und ein großes Wagnis. Denn als Eltern macht man so einiges grundfalsch. Und man hat ganz schön Glück, wenn es trotzdem gut ausgeht.
Und deshalb ist es auf dem Weg dahin gar nicht so schlecht, sich ab und an zu fragen: „Kind, du bist uns anvertraut, wozu werden wir dich bringen?“

 

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