SWR1 Begegnungen

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Teil 1 

Ein moderner Kirchenraum in Stuttgart. Vor dem Altarraum hängen zwei weiße Tücher von der Decke herab. Was aussieht, wie österliche Deko, ist das „Arbeitsgerät“ von Martin Bukovsek. Während des Gottesdienstes tritt der Artist langsam an die Tücher, verneigt sich und steigt kunstvoll und athletisch in den Himmel. „Getanztes Gebet“ heißt das, was er da tut. Nach diesem Gottesdienst in St. Fidelis in der Stuttgarter Innenstadt treffe ich den Artisten, der mit Künstlernamen Carismo heißt.

Schon immer wollte er hoch hinaus. 

Ich hab als kleiner Junge immer davon geträumt, Artist zu werden. Artist oder Astronaut. Ich wollt dem lieben Gott nahe sein. Und das war für mich dann so, dass ich in den Himmel steigen muss dafür. Und das macht ein Luftakrobat oder auch der Astronaut. Und dieser Ruf in mir, der war immer da.

Bis er diesen Ruf umsetzen konnte, hat Martin Bukovsek viele andere interessante Dinge gemacht. Er ist auch Zauberer und Zirkuspädagoge. In der kirchlichen Jugendarbeit macht er erste Erfahrungen mit kleinen Projekten und Auftritten rund um Zaubern und den Zirkus. Und eines Tages hat er dann das Vertikaltuch entdeckt. 

Auch das ist einfach Berufung. Ich hab einige Jahre ja schon als Artist gearbeitet und war einmal im Varieté und sehe in dem Moment das erste Mal eine Frau am Vertikaltuch turnen. Und dann war so eine innere Stimme in mir wirklich drin: das ist mein nächstes Ding! Dann hab ich mit dieser Frau gesprochen und hab die eigentlich bequatscht, bis ich dann ihr eigenes Tuch bekommen habe. Und dann habe ich ein paar Tage später eine Musik gehört, die mich sehr berührt hat. Dann hab ich das Vertikaltuch in einer Turnhalle aufgebaut, hab die Musik reingemacht und hab mich dann einfach tragen lassen, sag ich mal. 

Das war nicht einfach nur Turnen. Der Artist hat eine Geschichte erzählt - ganz automatisch. 

Den Lebenszyklus: Geburt - Heranwachsen - Leiden - Tod und Auferstehung. Und dann war das für mich irgendwas ganz Heiliges. 

Dass er das wirklich so empfindet, wird sofort deutlich, wenn er sich an und in den Tüchern bewegt.

Tief beeindruckt schaue ich zu, wie er sich in den Tüchern wickelt und windet, darin steht und liegt. Mal ganz oben unter der Decke, mal eher in meiner Augenhöhe. Jede einzelne Bewegung kommt von innen. 

Zum „getanzten Gebet“ ist es dann halt für mich geworden, weil ich dann auch sagte, jetzt möchte ich das auch dem lieben Gott zurückgeben. Er hats mir geschenkt und jetzt möchte ich auch vor ihm tanzen. 

Wenn Carismo von seinem „getanzten Gebet“ spricht, dann ist Berührung sein Stichwort. Berührung zwischen Gott und ihm, zwischen ihm und der Gemeinde und zwischen der Gemeinde und Gott. Hatte er jemals Angst?

Nein, aber Respekt. Das ist wichtig. Wenn ich mit Angst da hochgehe,dann ist die Gefahr sehr sehr groß. Respekt gehört aber dazu, dass ich sage, dass ich nicht übermütig werde. 

Martin Bukovsek alias Carismo zaubert und tanzt aus Berufung. Nach der Musik erzählt er von seinem Weltrekordversuch und seinem Bild von Gott. 

Teil 2 

Der ausgebildete Jugend- und Heimerzieher ist Artist, Zauberer und Zirkuspädagoge. Als solcher macht er viele Projekte an Schulen und leitet unter anderem eine Zirkusfreizeit. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht ihm Spaß und fordert ihn zu so manchem heraus. Um ein Vorbild zu sein, startete er vor Jahren einen Weltrekordversuch im Stillstehen. Und er hat es geschafft: 16 Stunden, 16 Minuten und 16 Sekunden stand er still. Nur normales Blinzeln war erlaubt. Die Wirkung hat er nicht verfehlt. 

Wenn ich ein Ziel vor Augen habe, dann muss ich an mich auch glauben. Wenn ich hinfalle, aufstehen, weitermachen. 

Für Carismo war es mehr als ein Weltrekordversuch. 

Eine ganz ganz tiefe religiöse Erfahrung für mich. Ohne Gebet geht das nicht für mich. Also die Mitte zu suchen. Es gibt natürlich Momente, wo es einem ja auch wirklich nicht so gut geht oder es ist langweilig oder der Kreislauf macht nicht mit. Und ich bin einfach ein gläubiger Mensch und war einfach in dem Punkt ganz ganz tief verbunden mit Gott. Und ich weiß, der hat mich da auch durchgebracht. Gott ist für ihn: 

Mein Schöpfer. Mein Ein und alles. Ja, ohne Gott geht´s nicht. Eigentlich könnte ich alles anknüpfen, eben von A bis Z. 

In Martin Bukovseks Familie hat der Glauben immer eine große Rolle gespielt. Das konnte er auch in der kirchlichen Jugendarbeit leben, der er viel verdankt.

Ich bin heute so wie ich bin, weil ich diese Jugendarbeit aktiv erleben durfte. 

Wenn Carismo am Vertikaltuch tanzt und betet, bekommt er selbst Kraft. 

Und es ist so klar für mich zu sehen, wenn ich da hoch gehe, ich kann die Nacht durchgemacht haben, ich kann müde sein oder ausgelaugt, wenn ich hoch gehe, dann bin ich ein neuer Mensch. Eigentlich muss ich mich ja konzentrieren, dass ich keine Fehler mache. Es ist immer noch Zeit da, Sorgen mit hoch zu nehmen oder an jemanden zu denken oder selber zu beten. Das ist für mich was ganz Wichtiges. Es trägt mich, dass ich da oben bin und sag, ich kann sehr wohl mit Gott sprechen. 

So ein Gebet am Tuch hoch oben im Kirchenraum erfordert gute Vorbereitung. In der Regel macht er Aufwärmübungen für Leib und Seele: Sport und Meditation. 

Martin Bukovsek alias Carismo kennt sich selbst sehr genau. Sicher auch, weil er tief verwurzelt ist im Glauben. Der gibt im Halt in jeder Lebenslage. Manchmal, wenn er vor versammelter Mannschaft sprechen muss, was ihm eigentlich nicht so leicht fällt, hat er das Gefühl, der Heilige Geist spricht durch ihn.
Zum Schluss unseres Gespräches will ich wissen, was er sich wünscht, wenn er drei Wünsche frei hätte. Ein großer fällt ihm sofort ein: 

Morgen soll mal n ganzer Tag ohne Krieg sein. 

Weitere Informationen unter  www.carismo.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19801
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