Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

  „Mist, schon wieder einen Fehler gemacht, ich kann nichts, ich bin nichts, ich bin nichts wert!“ Wenn Ihnen einer dieser Sätze bekannt vorkommt, dann will ich Ihnen einen Vorschlag machen: Versuchen Sie ein wenig barmherziger mit sich selbst zu sein. Streng mit sich selbst sind Sie sicher oft genug. Weil Sie es gelernt haben, von Ihrem Vater, Ihrer Mutter, in der Schule oder bei Ihrem Chef. Oder Sie haben das Strengsein mit sich selbst schon mit der Muttermilch aufgesogen. Durch eine unselige Erziehung, in der schon Kleinkinder nicht „verwöhnt“ werden sollten. Oder Sie haben das deutsche Wirtschaftswunder mitgeschaffen, was ohne Fleiß und Strenge zu sich selbst nicht möglich gewesen wäre. Aber jeder könnte doch immer mal wieder ein wenig barmherziger mit sich selbst umgehen. Leicht gesagt, wenn man ein Leben lang so streng mit sich war. Und sich gehen lassen oder verweichlichen will man ja auch nicht, klar…          Aber Barmherzigkeit ist was anderes. Wie so oft zeigt unsere Sprache worum es geht. Von seiner Wortherkunft bedeutet Barmherzigkeit, „ein Herz für die Unglücklichen haben“ – das wäre doch eine schöne Vorstellung, ein Herz für die schwachen, unglücklichen Seiten in mir haben, mich selber besser zu verstehen, immer wieder auch gut zu mir selbst sein. Mein kleines hilfsbedürftiges Ich gewissermaßen in den Arm nehmen und ihm sagen, es ist gut, du bist gewollt, du bist kostbar. Auch und gerade dann, wenn du klein, hilfsbedürftig und schwach bist. Das reicht natürlich nicht, wenn ich das nur einmal tue oder mir sage. Das muss ich üben, barmherzig mit mir selbst zu sein. Denn wenn man jahre-, jahrzehntelang zu streng zu sich war, dann geht das nur in kleinen Schritten. Und durch Wiederholung, geduldige, wohlwollende Wiederholung. Wie eine liebevolle Mutter, die ihrem Kind etwas beibringen möchte. Im Hebräischen ist das Wort Barmherzigkeit gleichbedeutend mit Mutterschoß. Welch wunderbares Bild. Barmherzigkeit als Ausdruck mütterlicher Liebe und Geborgenheit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19749
weiterlesen...