Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Leben lernen“, so heißt ein Gedicht von Ute Latendorf. Eine Hörerin hat es mir geschickt. Manche Menschen müssen das tatsächlich: leben lernen. Neu leben lernen. Nach einem Schicksalsschlag. Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Nach einem Unfall, wenn nichts mehr ist wie es einmal war. Nach einer Krankheit, wenn man gelähmt ist, am Leib oder in der Seele. Wem das widerfährt, der muss durch tiefe Täler bevor er wieder leben, neu leben, anders leben kann. Da ist zuerst der Schock, das Nichtwahrhabenwollen. Dann der Hader, die Wut, die Verzweiflung. Und irgendwann, ganz langsam, oft unmerklich das Annähern an die veränderte Situation, das bestenfalls zum Annehmen wird, zum Akzeptieren des Schicksals. Das ist dann der Punkt, an dem das Leben lernen wieder beginnt. Bis dahin ist es ein langer, schwerer Weg. Ein Weg auf dem einem Menschen helfen können. Wenn sie da sind, einfach da sind und mit aushalten, durchhalten helfen. Ein Weg auf dem auch die Zeit hilft, ja auch die Zeit, die tatsächlich Wunden heilen hilft. Und die Natur, mit ihrer stillen Stabilität, mit ihrem schweigsamen Versprechen, dass das Leben weiter geht. Genau das hat die Autorin Ute Latendorf sehr schön in Worte gefasst. Und diese Worte möchte ich nicht nur, aber besonders denen weitergeben, die gerade wieder lernen zu leben: 

Von der Sonne lernen, zu wärmen
Von den Wolken lernen, leicht zu schweben
Vom Wind Anstöße zu geben
Von den Bäumen standhaft zu sein

Von den Blumen das Leuchten lernen   
Von den Steinen das Bleiben.
Von den Büschen im Frühling Erneuerung lernen
Von den Blättern im Herbst das Fallenlassen
Vom Sturm die Leidenschaft lernen.

Vom Regen lernen, sich zu verströmen     
Von der Erde mütterlich zu sein
Vom Mond sich zu verändern,
Von den Sternen lernen, einer von vielen zu sein

Von den Jahreszeiten lernen,
dass das Leben immer von neuem beginnt

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