SWR3 Gedanken

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Fast 40 Jahre ist meine Großmutter jetzt schon tot. Und sie wirkt noch immer in mir nach. In vielem Schönen, dass ich von ihr gelernt habe. Und auch in dem, dass ich immer Vorräte haben muss: Brot, Füllerpatronen, Dosenmilch, Zucker oder Zahnpasta. Dass etwas ausgeht, dass etwas, das ich regelmäßig brauche, auf einmal fehlt – geht gar nicht. Das liegt wohl an der Kriegserfahrung meiner Großmutter, die in beiden Weltkriegen erlebt hat, wie es ist, Dinge entbehren zu müssen, ja sogar hungern zu müssen. Das ist mir als Kriegsenkel auch in Fleisch und Blut übergegangen. Das hat mich meine Oma gelehrt ohne viel darüber reden zu müssen. Vorräte also. Vorräte gibt es aber nicht nur bei Dingen oder den Grundbedürfnissen des Lebens. Man kann auch seelische Vorräte anlegen. Ich glaube, die sind ähnlich wichtig wie Brot, Zucker oder Zahnpasta. Es gibt glaube ich auch so etwas wie eine seelische Vorratskammer. Mit Regalen für gute und schöne Erlebnisse, auf die man dann zurückgreifen kann an Tagen, in denen es einem nicht so gut geht. Oben im Fach könnten zum Beispiel die Erinnerungen an schöne Sommerurlaube am Meer liegen oder an herrliche Skitouren in den Bergen. In der Mitte könnten Erinnerungen an schöne Stunden mit der Familie oder mit Freunden sein. Und unten, tief und sicher eingelagert die Bilder schöner Kindertage, die Liebe zum Partner, den Kindern. Und das Vertrauen ins Leben oder zu Gott. Es kann sich glücklich schätzen, bei wem die Regale seiner seelischen Vorratskammer gut gefüllt sind. Weiß Gott gibt es aber auch Menschen, die dieses Glück nicht haben. Diese Menschen haben ein Recht darauf etwas von den Menschen mit den gefüllten Vorratskammern abzubekommen: Wärme, Zeit, ein Lächeln, eine helfende Hand, eine stille Gabe, Dasein, Geborgenheit – ohne viel Gedöns, einfach so – von Vorratskammer zu Vorratskammer, einer nimmt, einer gibt. Und beide werden satt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19602
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