SWR1 Begegnungen

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Allein vor Gott, aber mitten in der Welt

Immer tiefer zu sich selbst

Ich besuche Maria Anna Leenen. Die 58-Jährige ist Eremitin, lebt also allein in einer Klause in der Nähe von Osnabrück.

Um sie und ihre Klause zu erreichen, muss ich kleine Orte und den ein oder anderen Feldweg Allein hinter mir lassen. Zwischen Feldern und Wiesen lebt Maria Anna Leenen mit ihren Ziegen. Als ich ankomme, sind die gerade ausgebrochen und wir treiben die Truppe erst mal wieder in ihr Gehege. Dann geht es rein in die gute Stube. Spartanisch ist sie eingerichtet, aber es ist alles da, was zum Leben nötig ist.

Was denn eine Eremitin eigentlich ist, frage ich sie.

Also Eremitin ist ein Mensch, der sich auf die Suche macht nach Gott. Hauptaufgabe ist das Gebet, die Gott-Suche. Aber auch gleichzeitig offen zu sein für die Menschen, für ihre Nöte, für ihre Sorgen und da zu sein zum Gespräch oder ja, einfach mal zum Zuhören.

Eremiten leben also nicht fern ab von der Welt. Im Gegenteil, Maria Anna Leenen steht mit beiden Beinen mittendrin. Sie hält Vorträge, hat einen Gesprächskreis über den Glauben und hat oft Gruppen bei sich zu Besuch. Ihr Alltag sieht so aus.

Der Normaltag fängt so zwischen halb sechs und sechs an. Und das erste was ich mache, ich zieh mir was über und geh in die Kapelle. Einfach um in einem kurzen Gebet nochmal mir zu vergewissern und auch damit den Tag anzufangen: warum bin ich eigentlich hier? Das heißt, ich-– Gott, das ist sozusagen die Kontingente, die hier einzuhalten ist. Ja, und dann gibts meist n schnellen Kaffee. Und dann geh ich füttern. Und dann gehe ich in die Kapelle, dann gibt es die Laudes, bisschen Meditation, Bibel, Evangelium, je nachdem. Und dann gibt es noch `n Kaffee und ich muss gucken, was liegt an. So gegen halb zwölf-zwölf ist dann weder Schnitt, Kapelle. Ein bisschen gucken, wie war der Vormittag? Muss ich für jemanden besonders beten, dass ein Anliegen reinkam, oder so. Und dann ist Mittagessen. Und arbeiten dann meistens bis halb fünf-fünf. Und dann guck ich, dass ich in Ruhe die Vesper bete. Und dann ist ein langes ruhiges Abendessen. Da muss ich einfach Pause machen. Und in der Regel geht es hinterher weiter mit arbeiten. Und am anderen Tag geht es mehr oder weniger so weiter.

Diese Regelmäßigkeit ist für die Eremitin alles andere als langweilig.

Das ist wie eine Art Schleifmaschine. So dass dieser Tagesablauf so etwas ist, der diesen Diamanten immer noch n bisschen mehr poliert. Und man kommt immer noch n Stückchen tiefer auf sich selber zu, erkennt immer noch mehr von sich, von der Welt. Es ist aber ein sehr langsamer Prozess.

Maria Anna Leenen lebt zwar allein, ist aber zutiefst getragen von dem Glauben, dass alle Menschen in Verbindung miteinander stehen. Der Apostel Paulus spricht im Brief an die Korinther von einem Leib mit vielen Gliedern. Wenn es einem Glied schlecht geht, leidet der ganze Leib. Deshalb ist das Gebet für andere ein zentrales Anliegen der Eremitin.

Für mich ist es ganz wichtig für die Menschen einzutreten, die nicht glauben können oder nicht glauben wollen.

Das gefällt aber nicht allen. Die Reaktionen auf Berichte über sie und ihr Leben sind deutlich. 

Da steht natürlich auch, dass ich für andere bete. Und dann sagt einer: Ich verbitte mir das!

Da trifft man ganz ganz tiefe versteckte Sehnsuchtspunkte, mit denen diese Menschen aber nicht klarkommen.

Ich hätte gern mehr Geld, um es anderen zu schenken

Ich besuche für ein paar Stunden Maria Anna Leenen die als Eremitin in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Osnabrück lebt. Vor 21 Jahren hat sie diese Lebensform für sich entdeckt. Davor war sie evangelisch - allerdings nur auf dem Papier. Sie hat sich für alles interessiert, aber nicht für Gott und den Glauben. Sie hat gut verdient, ist viel gereist und hat ihr Leben mit vielen Beziehungen in vollen Zügen genossen. Das hat ihr aber nicht gereicht. Während eines Jahres in Venezuela kam dann das, was sie als eine schlichte, einfache, klare Bekehrung bezeichnet. 

Zum einen hab ich ein Buch geschenkt bekommen bzw. sollte es lesen über Marienerscheinungen. Und damals als evangelischer Taufscheinchrist Marienerscheinungen - das geht eigentlich nicht.

Und bei einer dieser Erscheinungen sagt Maria zu den Seherkindern „Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Und in dem Moment hat es einfach „peng“ gemacht. Also innerlich ist etwas kaputt gerissen, kaputt geknallt und ich hab gewusst: genau. Das brauch ich.  

Die heute 58-Jährige ist daraufhin katholisch geworden und hat sich auf die Suche nach einer entsprechenden Lebensform gemacht. Sie hat sechs Jahre in einem Kloster gelebt bis ihr klar geworden ist, dass das eremitische Leben ihr Ding ist. Sie ist angekommen. Auch wenn das Leben in Zurückgezogenheit nicht immer leicht ist. 

Ich bin vor Gott allein. Und ich bin mit meiner ganzen Verantwortung allein, mit meiner ganzen Sehnsucht, mit meinen ganzen Ängsten. Weil das was wir leben ist ja nicht Idylle pur. Sondern das ist eine beinharte Konfrontation mit mir selber.  

Maria Anna Leenen verdient ihren Lebensunterhalt selbst. Sie gestaltet Kerzen, hält Vorträge und schreibt geistliche Bücher. Aber auch das reicht manchmal nicht aus. Im Notfall hat sie liebe Freunde, die ihr aushelfen.

Der Mietvertrag für die Klause läuft in diesem Jahr aus. Viele Freunde und ein Förderverein machen es aber weiterhin möglich, dass die Klause St. Anna ein Ort bleiben kann, an dem Menschen immer ein offenes Ohr, eine Tasse Tee und eine tief zufriedene Frau finden. Das beeindruckt mich an Maria Anna Leenen. Sie lebt so ganz anders und wirkt von Herzen glücklich.

Wünsche hat sie dennoch offen. 

Wenn ich sie Gott stellen kann, dann würde ich sagen: Ok, erklär mir bitte, warum es Leid gibt. Das wüsste ich gerne wirklich, weil da habe ich noch keine Antwort drauf gefunden.

Der zweite Wunsch wäre: ich möchte hier bleiben bis an mein Lebensende. Ich möchte auch hier sterben bitte.

Und der dritte wäre, ja ich hätte gerne ein bisschen Geld um anderen was zu schenken.  

Maria Anna Leenen ist für mich eine starke Frau, die allein vor Gott, und gerade deswegen mitten in der Welt steht.

 

Weitere Informationen unter: www.klausenkapelle.de
www.eremiten-in-deutschland.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19477
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