SWR4 Sonntagsgedanken

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Taufe – oder mit allen Wassern gewaschen?

In den letzten Tagen habe ich einige Duschgels verpackt. Sie werden an Familien verschenkt, die ihr Kind taufen lassen. Auf der Verpackung ist unsere Wallfahrtskapelle vom Letzenberg Malsch bei Wiesloch abgebildet; darunter steht ein Segenswunsch: „Alles Gute zur Taufe.“ Die Duschgels sollen die Familien an die Taufe erinnern – und sie nachdenklich machen: Was bedeutet „Taufe“ eigentlich? Etwa, mit allen Wassern gewaschen zu sein?

Die Redensart „mit allen Wassern gewaschen“ kommt aus der Seefahrt. Seeleute waren Menschen, die weit herumgekommen sind. Sie haben in allen Meeren dieser Welt gebadet. Insofern sind sie welt- und lebenserfahren; zugleich aber auch etwas exotisch. Wer einmal das Meer bezwungen hat oder Seeräubern entkommen ist, der hat vor nichts mehr Angst. Er trotzt allen Gefahren, ist trickreich und gerissen. Daran knüpft die Redensart an: mit allen Wassern gewaschen zu sein, heißt clever, hinterlistig und durchtrieben zu sein, ein richtiges Schlitzohr also.

Der Priester Wilhelm Willms hat ein Gedicht geschrieben mit dem Titel: „Taufe – oder mit allen Wassern gewaschen“. Darin wehrt er sich dagegen, dass Christen eben solche Schlitzohren sind. Er sagt, in der Taufe gehe es vielmehr darum, Menschen mit dem „Wasser der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, der Liebe und des Friedens“ zu waschen. Er nennt das auch das „Wasser des christlichen Geistes“. Willms sagt weiter: wer getauft ist, soll sich auch so verhalten. Eltern, Paten und die Gemeinde zum Beispiel. Die sollen „lebendiges Wasser“ sein und dem Täufling zeigen, wie man barmherzig und gerecht ist, liebevoll und friedlich lebt. Für mich steckt da sogar noch mehr drin: wer getauft ist, folgt Jesus nach. Das heißt: Er kümmert sich nicht nur um andere Menschen, sondern denkt auch an die Umwelt und schaut nach vorne.

Ich bin gespannt, wie unsere Duschgels ankommen: heute werden sie das erste Mal verteilt. Ich hoffe, die Tauffamilien werden neugierig, lesen unseren Begleitbrief und machen sich Gedanken darüber, was Taufe für sie bedeutet.
Für mich jedenfalls kommen in der Taufe zwei Dinge zusammen, auf die unser Geschenk hinweisen soll:
Zum einen wäscht man sich mit einem Duschgel. Mich erinnert es insofern an jene Seeleute, die in sämtlichen Weltmeeren gebadet haben. Ich finde, die Taufe soll Menschen tatsächlich stärken, wie diese Seeleute mutig und klug zu sein.
Zum anderen geht es für mich in der Taufe aber noch um mehr. Darauf weist das Bild von der Letzenberg-Kapelle hin, das wir auf das Duschgel gedruckt haben. Getauft zu sein heißt für mich, mit dem „Wasser des christlichen Geistes“ gewaschen zu sein. Und darin liegt für mich ein großer Unterschied zu jenen Seeleuten. Wer getauft ist, sollte eben gerade nicht schlitzohrig und durchtrieben sein, sondern aufrichtig und ehrlich durchs Leben gehen, gerecht und barmherzig, umsichtig und bedacht.

„Neu denken! Veränderung wagen.“

Wer getauft wird, wird gewaschen – aber nicht mit allen Wassern, sondern mit dem „Wasser des christlichen Geistes“. Das hat der Schriftsteller Wilhelm Willms einmal gesagt. Ich habe eben in meinen Sonntagsgedanken davon erzählt. Wer getauft ist, der schmuggelt sich nicht irgendwie durchs Leben. Er packt an, um die Welt gerechter und besser zu machen.

Heute ist der erste Sonntag in der Fastenzeit. Viele Christen bereiten sich auf Ostern vor und überlegen sich, wie sie als getaufte Menschen leben, was sie an sich und der Welt verbessern könnten. An manchen Orten bringen sie dazu Ruderblätter in den Gottesdienst mit. Die Idee dazu stammt vom Hilfswerk Misereor und gehört zur Fastenaktion, die heute startet. Weltweit wird das Klima extremer. Das trifft vor allem die armen Menschen; Fischer zum Beispiel auf den Philippinen. Sie leben am Wasser, oft in einfachen Hütten, und sind auf das Meer angewiesen. Doch Starkregen, Stürme und Fluten bedrohen sie. Außerdem schwimmen im Wasser immer mehr Abfälle statt Fische. Höchste Zeit, das Ruder herumzureißen und einen neuen Kurs einzuschlagen. Genau daran erinnern jene Ruderblätter in den Gemeinden.

Das Leitwort der Fastenaktion heißt: „Neu denken! Veränderung wagen.“ Misereor hat in den letzten Jahren tatsächlich viel verändert. Da sind zum Beispiel die Mangroven-Wälder. Mangroven-Bäume werden direkt ins Wasser gepflanzt. In ihren Wurzeln können sich Fische vermehren. Gleichzeitig bremsen sie Sturmfluten ab, bevor sie auf die Küste treffen und Schaden anrichten. Viele Hütten der Fischer sind auf Stelzen gebaut. Geht das Wasser bei Ebbe zurück, kommt Müll zutage. Die Kinder wissen mittlerweile durch Misereor und andere Organisationen, dass dieser Müll krank macht. Sie haben angefangen, ihn aufzusammeln und zu entsorgen. Die Fischer selbst haben gelernt, sich besser zu organisieren und das Meer und seine Gefahren besser einzuschätzen. Und viele Frauen üben mittlerweile ein Handwerk aus, um Geld dazuzuverdienen und das Einkommen der Familien zu verbessern.

Jene Ruderblätter in den Gemeinden sollen beschriftet werden, so die Idee der Fastenaktion. Die Leitfrage heißt: Was kann ich tun, um etwas zu verändern? Vermutlich gibt es viele Ideen: „Nimm Stofftaschen statt Plastiktüten!“ „Vermeide Müll!“ „Fahr Fahrrad statt Auto!“ „Kauf fair gehandelte Waren!“ „Hilf mit einer Geldspende!“ Ich tu mich manchmal schwer mit solchen Appellen. Bringt das wirklich was – mein winziger Beitrag? Und ich frage mich außerdem: muss es wirklich gerade ich sein, der die Welt rettet?

Ja, ich denke, das muss es! Veränderung fängt bei mir an. Weil ich getauft bin, schmuggle ich mich gerade nicht durchs Leben. Ich packe an, um die Welt gerechter und besser zu machen. Das heißt es für mich, mit dem „Wasser des christlichen Geistes“ getauft zu sein.
Und bringt es was? Ich glaube schon. Misereor und andere Organisationen haben es bewiesen. Das spornt mich an. Ich kann das Ruder selbst in die Hand nehmen! Ich muss nur umdenken und Veränderung wagen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19265
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