SWR1 Begegnungen

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Achtung: Talent!
Kolping und „Faschenacht“ – kein Widerspruch!

Ich treffe Christof Kieser in Buchen im Odenwald, einem echten Allroundtalent. In aller Kürze: er hat Landwirtschaft studiert, arbeitet heute als Lehrer, schreibt Bühnenstücke, singt, textet, macht Musik, spielt
Theater, dirigiert und feiert gerne Fasnacht.

Faschenacht heißt es in Buchen im Odenwald. Und hier spielt die sogenannte fünfte Jahreszeit eine ganz große Rolle. Christof Kieser
bringt sich in dieser Zeit besonders ein, er schreibt und leitet die Kolpingfaschenacht. Vier Abende Unterhaltung auf höchstem Niveau. Ich wohne in Buchen und erlebe diese besondere Veranstaltung jetzt schon zum fünften Mal. Kurz vor der Saison treffe ich Christof Kieser und will wissen, was ihn an dieser besonderen Zeit fasziniert.

Ja die Faschenacht ist eine besondere Zeit für mich und für viele andere hier in Buchen. Man kann ausgelassener sein als sonst im Leben. Als Lehrer muss man auch mal aus der Norm aus-preschen können und das macht mir da besonders Spaß.

Die Faschenacht ist ihm sprichwörtlich in die Wiege gelegt worden. Den Ursprung beschreibt er so:

Ja, das kommt eigentlich aus der Familie raus. Wir waren sechs Jungs und meine Eltern waren schon immer aktiv in Vereinen, in der Kirchengemeinde und haben natürlich auch Fasnachtsveranstaltungen da mitgestaltet und waren dabei. Und wir sind da so reingewachsen von klein auf schon im Kostüm, im Huddelbätz unterwegs gewesen. Ich kenn das gar nicht anders.

Der Huddelbätz ist die Buchemer Fasnachtsfigur. Ein buntes Flickenkostüm aus ca. 2000 Stoffflicken mit Spitzhut, Kragen, Handschuhen und Rute. Der bunte Gesell hüpft und springt in diesen Tagen an jeder Ecke zur Buchener Faschnachtshymne, dem „Kerl wach uff“:

„Kerl wach uff, vergess Dei Not Dei Plooch. Korz is Lebe, darum Hinne Houch.“ Steckt eigentlich alles drin. Raus aus der Lethargie. Raus auf die Straßen,

beteilig Dich, mach mit. Das Leben ist begrenzt und man sollte es in allen Facetten nutzen. Die Traurigkeit kommt von allein und die Freude, die darf man ruhig auch mal suchen und darf sie auch mal ausleben.

Diese Freude kommt bei der Kolpingfaschenacht besonders zum Ausdruck. Seit er 16 Jahre alt ist, ist Christof Kieser dabei und seit 23 Jahren schreibt er die Texte für diesen bunten Abend komplett selbst. Warum er das alles macht?

Weil ich merke, dass die Menschen, die zu uns kommen, gerne kommen. Weil sie, glaube ich, auch ein bisschen reicher auch nach Hause gehen, erfüllter vielleicht auch. Und auch weil ich sehe, wie das Team auf der Bühne und um die Bühne herum mitzieht und wie es dann auch Spaß macht, wie sie zum Beispiel in ihre Rollen hineinwachsen, wie sie sie interpretieren.

Die Veranstaltung heißt nicht einfach so „Kolpingfaschnacht“. Die Kolpingsfamilie lädt zu diesem Abend ein. Christof Kieser engagiert sich seit langem in diesem kirchlichen Verein. Fasnacht und Adolph Kolping, wie passt das zusammen?

Ich habe nicht den Eindruck, als dass Adolph Kolping ein ernster Mensch war. Er war ein fröhlicher Mensch bei allem Ernst in der damaligen Zeit. Er hat nicht gepredigt, wir sollen ernst und traurig sein. Er hat gesagt, geht raus in die Gesellschaft, freut euch. Junge Menschen müssen fröhlich lachen können und das versuchen wir da umzusetzen.

Mit jungen Menschen hat Christof Kieser in seinem Job jeden Tag zu tun. Er ist Lehrer an der örtlichen Gewerbeschule. Besonders gut gefällt ihm daran:

Ja, das ist einfach der Kontakt, der Dialog mit den Schülern. Das ist der Schlagabtausch auch manchmal. Das muss auch mal sein.  

Gott ist dann da, wenn ich nicht an ihn denke

Schlagfertig, das ist Christof Kieser. Und das ist sehr hilfreich bei allen kreativen Projekten, die er macht. Der Odenwälder aus Buchen engagiert sich sehr für die Fasnacht. Aber nicht nur das, er schreibt, singt, ist Kabarettist und nebenbei arbeitet er auch noch als Lehrer und hat Familie. Mich interessiert, wie er das alles unter einen Hut bringt. 

Einerseits eine Frage der Organisation, andererseits natürlich eine Frage der Bereitschaft meiner Familie, meiner Frau und meines Sohnes, die natürlich schon sehr da mitleben dürfen, mitleben müssen manchmal vielleicht auch. Das geht nur, wenn die Familie die Bereitschaft da signalisiert, so etwas zu machen.

Die Kolpingsfamilie Buchen hat im vergangenen Jahr ihr 150. Jubiläum gefeiert. Aus diesem Anlass hat Christof Kieser ein Bühnenstück geschrieben: „K wie Heimat“. Mehr als 150 Menschen haben nach Kiesers Texten und Drehbuch die Botschaft Adolph Kolpings ins Heute übertragen.

Und dann ist er runter von der Kanzel und ist ins Volk rein und hat unter anderem dann eben auch diesen Gesellenverein gegründet. Das ist etwas, was wir glaube ich auch heute wieder lernen müssen. Papst Franziskus gibt das ja ähnlich vor, der sagt: geht raus zu Menschen, predigt nicht von der Kanzel. Und Kolping hat einen schönen Satz gesagt: „Das Lachen aus ganzem Herzen, aus frohem Herzen ist mehr wert, als die längste und schärfste Predigt.“

Das entspricht auch Kiesers Bild vom Menschen.

Ich denke, wir Menschen sind auf der Welt um fröhlich zu sein und auch andere anzustecken, um anderen vielleicht auch mal mit Humor weiterzuhelfen, und sei es auch nur für einen Augenblick.

Das ist, neben vielen anderen, sein großes Talent: andere Menschen zum Lachen zu bringen und ihr Leben so zu bereichern. Ich finde es klasse, dass er dieses Talent nutzt.

Bei allem, was Christof Kieser tut, weiß er sich von Gott begleitet.

Gott ist dann da, wenn ich nicht an ihn denke. Dann ist er da. Und das zu wissen, das ist eine unheimliche Befriedigung für mich.

Am Ende unseres Gespräches frage ich Christof Kieser, was er sich wünschen würde, wenn er drei Wünsche frei hätte. Er kommt nur auf einen:

Ich wünsche eigentlich jedem Menschen, dass er eine innere Zufriedenheit findet, mit dem was er tut, mit dem wie er lebt, wo er lebt, was er lebt. Denn ich denke, innere Zufriedenheit ist eine Voraussetzung um tolerant zu sein.

Darauf will ich natürlich wissen, ob er zufrieden ist. Er antwortet mit einem ebenso schlichten wie klaren „Ja!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19213
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