Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Vergebung ist der Schlüssel in unserer Hand, der die eigene Gefängniszelle öffnet“. Dieser Satz des polnischen Kardinals Wyszinski passt zu der Erfahrung, die ich heute Morgen weitergeben möchte. Vergebung befreit nicht nur den Menschen, dem vergeben wird, sondern auch den, der vergibt. Denn oft ist ein Mensch, dem Unrecht oder Schlimmes angetan wurde, wie gefangen in dem was ihm angetan wurde, kommt nicht davon los und von dem Menschen, der es ihm angetan hat. Erst das Verzeihen, das echte, langsame und schmerzliche Verzeihen befreit ihn davon. Eine Erfahrung die überall gemacht wird. Mit am  schlimmsten beim Völkermord in Ruanda vor 20 Jahren. In einem hundert Tage dauernden Blutrausch wurden 1 Million Menschen getötet. Eine Stammesfehde zwischen Hutu und Tutsi, so fürchterlich, dass die seelischen Wunden bis heute nicht verheilt sind. Wie also Vergebung finden bei einer so unvorstellbar großen Schuld unzähliger Menschen? Einer der es versucht ist Dieudonné Munyankiko. Sein Vater ist ein Hutu und seine Mutter eine Tutsi. Der Großteil der Verwandtschaft seines Vaters wurde von Tutsis getötet. Die Familie seiner Mutter ganz von Hutus ausgelöscht. Wie da Vergebung finden? „Mit Zeit“, sagt er, der Leiter einer Versöhnungsinitiative in Ruanda, „lasst Euch Zeit“. Denn beide Seiten sind schwerst traumatisiert, verstockt in ihrer Angst und in der Einsamkeit ihres Hasses und ihrer Rachegefühle. In drei ganz vorsichtigen Schritten hilft Dieudonné, dass sich die Täter und die Opfer annähern. Im ersten sprechen die Teilnehmer der Annäherungsgruppen nur mit ihresgleichen. Täter mit Tätern. Opfer mit Opfern. Über ihre Erlebnisse und ihre Gefühle. Die werden aufgeschrieben. Im zweiten Schritt tauschen die Gruppen das Aufgeschriebene aus. Und können so – vorsichtig auf Papier vermittelt – die Gefühle und die Lebenswelt der anderen Gruppe hören und verstehen lernen. Erst im dritten Schritt kommt die direkte Aussprache von Opfern und Tätern. Und die ist weiß Gott nicht leicht. Aber im besten Fall herrlich befreiend. Und zutiefst berührend, wenn Vergebung geschieht. Denn, so hat ein Dichter (Jean Paul) mal gesagt, „Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selbst verzeiht.“…

(Quelle: Markus Wanzeck/Peace Countswww.peace-counts.org/lesen/reportagen/)

Diese Sendung beruht auf Aktivitäten der Berghof-Foundation Tübingen. Weitere Informationen unter.

www.berghof-foundation.org

 

 

 

 

 

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19059
weiterlesen...