SWR1 Begegnungen

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Ein Theologe am Fließband

Ich treffe Andreas Knapp in Leipzig -  einen Mann, der in seinem Leben
viel rumgekommen ist. Andreas Knapp ist katholischer Priester und
lebt in der Ordensgemeinschaft der Kleinen Brüder vom Evangelium in Leipzig. Im Saisonbetreib arbeitet er dort als Packer am Band.

Sein großes Hobby ist das Schreiben. Er ist auch Dichter und
bemüht sich immer wieder um den Umgang mit dem Wort. Geboren
und aufgewachsen ist Andreas Knapp in einem kleinen Ort
im badischen Odenwald. Dort -in seinem Elternhaus- habe ich ihn getroffen und er erzählt von seinem vielfältigen Leben. 

Ich hab zunächst Theologie in Freiburg studiert, ich bin also von Hettingen erst einmal nach Südbaden gezogen. Dann habe ich sieben Jahre in Rom gelebt, hab dort ein Studium abgeschlossen. Dann war ich 14 Jahre in Freiburg gewesen, habe dort in der Hochschulseelsorge und in der Priesterausbildung gearbeitet.

Und die nächsten Stationen waren dann Paris, Neapel, Cochabamba in Bolivien. Und das war dann sozusagen der direkte Weg nach Leipzig.

 Die Kleinen Brüder vom Evangelium sind eine relativ junge Ordensgemeinschaft. Sie ist in den 1950er Jahren entstanden. 

So die Grundzüge unserer Gemeinschaft sind: wir versuchen in kleinen Gruppen zu leben, zu dritt, zu viert.
Wir haben keine eigenen Häuser, keinen Grundbesitz, wir haben kein Auto, keinen Fernseher. Wir versuchen in einer sehr einfachen Lebensweise zu leben.

Ein anderes wichtiges Grundprinzip ist der Versuch, in einer solidarischen Lebensweise da zu sein. Das heißt, die Arbeit und die Lebensumstände der Menschen zu teilen in deren Milieu wir leben. Das bedeutet für uns: wir haben alle einen einfachen Beruf. Ich arbeite zum Beispiel als Packer am Fließband. 

Ganz bewusst hat sich die Gemeinschaft entschieden eine kleine Gruppe in Ostdeutschland zu gründen. Es geht ihnen darum auf ganz bescheidene Art und Weise als Christen präsent zu sein.

Wenn der promovierte Theologe als Packer am Band steht, wird er natürlich angefragt. 

Die Leute fragen sich natürlich schon, was sind Ordensleute? Warum lebt ihr so? Ihr versteht euch als Mitglieder der Kirche. Was ist Kirche? Was motiviert euch so zu leben? Und dann ist man schnell im Gespräch über die Werte, die wir leben wollen.  

Andreas Knapp hätte auch ganz anders leben können. In der Diözese Freiburg stand ihm eine glänzende Karriere bevor. Er war lange Zeit Leiter des Priesterseminars und hat junge Männer ausgebildet und begleitet, die Priester werden wollen. Doch das war nicht alles für ihn. In diesem sicheren Leben hat ihm etwas gefehlt. 

Eine Dimension war für mich das Leben in Gemeinschaft. Ich wollte nicht allein leben. Ich bin in einer Familie mit fünf Geschwistern aufgewachsen, ich habe immer Menschen um mich gehabt, ich hab immer in Gemeinschaft gelebt.

Das zweite war: ich stamme aus einer einfachen Familie und mir war auch ein einfacher Lebensstil immer sehr wichtig gewesen. Und ich habe gemerkt,  als ich Pfarrer war, oder als ich dann Direktor im Priesterseminar war, man hat dann doch einen gewissen gesellschaftlichen Status. Man ist wie ein Beamter, ein Kirchenbeamter gut abgesichert und mir war das dann zu gepolstert und zu abgesichert. Und ich habe damals gesagt: ich wollte eigentlich mal Jesus nachfolgen und jetzt bin ich ein Beamter geworden. 

 Ein Dichter und ein Mann des Wortes

Der katholische Priester und Ordensmann Andreas Knapp lebt als einfacher Saisonarbeiter in einer kleinen Gemeinschaft in Leipzig. Sein Leben könnte auch ganz anders aussehen: gut bezahlt in einer teuer ausgestatteten Wohnung in der Freiburger Innenstadt. Doch das wollte der ehemalige Leiter des Freiburger Priesterseminars nicht. Er hat sich entschieden in die Gemeinschaft der Kleinen Brüder vom Evangelium einzutreten und dort ein einfaches Leben zu führen. Momentan lebt er eben in Leipzig. Wie sieht so ein typischer Arbeitstag in Leipzig für ihn aus? 

Um fünf Uhr aufstehen, dann eine halbe Stunde stilles Gebet, schnell frühstücken, kurz vor sechs muss ich dann schon auf den Bus. Dann bin ich kurz vor sieben am Arbeitsplatz. Dann acht Stunden Arbeit, dann komme ich so gegen 17 Uhr wieder zurück. Und dann habe ich oft eben abends noch eine Gruppe oder eine Veranstaltung oder ein Treffen, Gottesdienst. 

Die Gemeinschaft ist für Andreas Knapp ein ganz wichtiges Element in seinem Leben. Die Brüder leben nicht nur zusammen, sie teilen ihr Leben. 

Ganz wichtig ist für uns die sogenannte „révision de vie“ - Rückblick aufs Leben würde man das nennen. Diese „révision de vie“ haben wir wöchentlich oder alle zwei Wochen. Da nehmen wir uns sehr viel Zeit füreinander und jeder erzählt, was er gelebt hat in den letzten Tagen. Und zwar im Blick auf Arbeit, Beziehungen und Gebet. Und das ist ein Anhörkreis. Wir hören zu, wir debattieren nicht. Jeder erzählt. Ich hab es als sehr wertvoll erlebt und erlebe es als kostbar, wie wir uns gegenseitig eben auch tragen in schwierigen Situationen. 

Er war in und mit der Gemeinschaft schon an vielen Orten dieser Welt. Unter anderem in Cochabamba in Bolivien. 

Wir hatten dort ein kleines Lehmhaus und mussten ja auch irgendwie von unserer eigenen Hände Arbeit leben. Und ich hab dort Joghurt produziert und habe Joghurt verkauft auf dem Markt. Es war ein tolles Leben mit so einem Bauchladen auf dem Markt unterwegs zu sein und gleichzeitig die Kontakte zu haben zu vielen Menschen, die eben auf der Straße leben. 

Ich finde das Leben und den Lebensweg von Andreas Knapp faszinierend. Ich frage mich allerdings, ob er irgendwo wirklich Heimat hat. 

Wenn ich nach Hettingen komme und dann durchs Dorf laufe das sind so Gefühle: ich stamme von hier, hier habe ich meine Wurzeln und diesem Ort, dem verdanke ich viel.
Gleichzeitig merke ich, ich gehöre nicht mehr hierher, sondern Heimat ist eher etwas Inneres.

 Ein großes Hobby von Andreas Knapp ist das Schreiben. Er ist ein Mann des Wortes. Ich will wissen, was ihn am Wort reizt.  

Ich hab immer gern gelesen. Und ich hab als Jugendlicher angefangen, Geschichten zu erzählen - Gespenstergeschichten. Und so war es mir ein Anliegen, eben auch neue Worte zu finden oder mit Worten zu spielen, Worte neu zu kombinieren.  

Andreas Knapp scheint mit sich, seinem Leben und seiner Umwelt im Reinen zu sein.
Dazu passt, dass er erzählt, dass er sich die großen Träume im Leben alle schon erfüllen konnte. Bleibt mir nur noch, ihn zu fragen, was er sich wünschen würde, wenn er drei Wünsche frei hätte. 

Ich bin eigentlich wunschlos glücklich. Ich hab keine Wünsche. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18752
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