SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

1 Maria ist eine ganz besondere Frau

In meiner Gemeinde wird heute Abend gefeiert. Keine Party, sondern eine Mai-Andacht. Das ist aber nicht nur in meiner Gemeinde so. Gerade im Marienmonat Mai beten viele Menschen weltweit zu Maria, der Mutter Jesu: „Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade. Der Herr ist mit Dir.“Was macht Maria so besonders?

Die Bibel berichtet davon, dass Maria den Sohn Gottesgeboren hat.Von Anfang an war sie deshalbhoch angesehen. Und weil man davon ausgeht, dass die Mutter Jesu besonders eng mit Gott verbunden ist, sehen viele in ihr bis heute auch eine Fürsprecherin,derman persönliche Bitten anvertrauen kann. Sie hat sozusagen einen besonderen Draht zu Gott.

Vielen Menschensteht Maria aber noch aus einem anderen Grund nahe. Sie finden sich in ihr wieder, denn sie ist auch Frau und Mutter. Sie durchlebt vieles, was andere Menschen auch erleben oder zumindest nachempfinden können. Das macht sie menschlich und sympathisch.

Als zum Beispiel der Engel Gabriel Maria davon erzählt, dasssie Jesus gebären soll, reagiert sie erschrocken undverunsichert. Und das nicht nur, weil Jesus der Sohn Gottes war!Maria ist jung, nicht verheiratetundbekommt ein Kind. Das macht ihr zu schaffen.

Und Maria macht noch viel mehr durch: Gleich nach der Geburt muss die ganze Familie nach Ägypten fliehen. Vieles muss sie zurücklassen: Freunde, Besitz und ihre Heimat.

Maria kennt aber auch die ganz alltäglichen Sorgen von Eltern. Mit zwölf Jahrensetzt sich Jesus einmal von seiner Familie ab.Maria ist besorgt und sucht ihn. Natürlich ist sie froh, als sie ihn endlich findet; gleichzeitig aber auch ziemlich sauer. Sie schimpft mit Jesus: „Kind, wie konntest du uns das antun?“

Und schließlich weint Maria unter dem Kreuz. Sie verliert ihren Sohn. Das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann.

Maria steht also vielen Menschendeshalb nahe, weil sie sich in ihr wiederentdecken.
Was michdabei besonders an ihr fasziniert, ist die Art und Weise, wie Maria ihr Leben meistert. Sie kommt offenbar ganz gut zurecht. Dass sie wirklich verzweifelt wäre, berichtet die Bibel nirgends. Und genau das gibt vielen Menschen Kraft, die selbst nicht mehr weiterwissen.

Was macht Maria so stark? Ich denke, es ist das, was ihr der Engel auf den Kopf zusagt und was wir heute noch beten: „Maria, Du bist voll der Gnade. Der Herr ist mit dir.“ Er sichertihr also zu, dass Gott zu ihr halten undihr beistehen wird.Darauf vertraut sie und das trägt sie in allem, was sie durchlebt.

Ich finde das wirklich beeindruckend – und manchmal wünschte ich mir, Gott würde auch mir so etwas zusagen.

2 Maria zeigt mir, dass auch ich Gott wichtig bin

Maria wird von vielen Menschenverehrt; sie ist die Mutter Gottes. Viele beeindruckt aber vor allem, dass sieauch ein ganz normaler Mensch ist, eine Frau, die im Alltag ihren „Mann steht“. Davon habe ich ebenin den Sonntagsgedanken erzählt.Vielleicht ist Mariadeshalb so stark, weil ihr der Engel Gabriel direkt zusagt, dass Gott sie nicht alleine lässt – auch wenn es die Bibel etwas edlerausdrückt: „Maria, du bist voll der Gnade. Der Herr ist mit dir.“

Ich habe Maria schon oft um dieseZusage beneidet – bis ich eines Tages ein echtes Aha-Erlebnis hatte. Mir ist bewusst geworden: Was der Engel Mariasagt, gilt auch für mich!Ich kann mich noch ganz gut an diesen Aha-Moment erinnern. Ich warin Freiburg unterwegs undhabe mir die Figuren über dem Eingangzum Münster angeschaut. Dort ist Gabriel zu sehen, wie er sich Maria zuwendet. Auf seinem Spruchband steht: Du bist voll der Gnade. Und Maria?Sie zeigt mit ihrem Finger auf diejenigen, diesie anschauen. Ich habe damals Gänsehaut bekommen. Es war für mich, alsob Maria mir dieseBotschaft weitergibt. Noch nie zuvor ist mir das so klar geworden: Thomas, auch du bist voll der Gnade. Gott ist auch mit dir – mit dir und all den anderen Menschen.

Damals habe ich verstanden, dass der Engel zu Maria eigentlich nur das sagt, wasdie ganze Bibel immer wieder von Gott berichtet: die Menschen sind ihmwichtig. Er traut ihnen etwas zu – auch mir. Ich stehe in seiner Gunst, unabhängig davon, was ich kann oder wer ich bin. Und wenn ich mich so angenommen und geliebt weiß, dann ist mir vieles möglich.Das ist fast wie im Sport: Wer angefeuert wird, ist motivierter und kommt leichter ans Ziel.

In Freiburg habe ich damals übrigens noch etwas kapiert. Mir ist aufgefallen, dass die Bibel nichts davon sagt, ob der Engel Maria bei der Flucht nach Ägypten unterstützt hat. Er hilft ihr auch nicht, nach Jesus zu suchen, als der sich von seiner Familie absetzt. Und er ist auch nicht dabei, als Maria um ihren Sohn trauert. Es ist vielmehr Josef, der Mariabegleitet. Es sind die Frauen, die mit ihr weinen; die Jünger, die sich um sie kümmern.
Ich glaube, dass ich von Gott getragen bin, spüre ich vor allem dadurch, dass sich andere Menschenfür mich einsetzen und zu mir stehen.

Das ist, was ich persönlich an Maria so schätze: Sie zeigt mir, dassich für Gott wichtig und wertvoll bin – einfach nur weil es mich gibt.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie genau das in der kommenden Woche spüren können – vielleicht durch Menschen, die für Sie da sind. Und sollte es nicht rund laufen, weil die anderen Sie mal wieder nerven –auch so etwas soll ja vorkommen –, dannbleiben Sie gelassen und nachsichtig. Machen Sie sich bewusst: auch die sind voll der Gnade.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17584
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