Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Eigentlich mag ich diesen Spruch nicht. Aber in den letzten Monaten ist er mir immer wieder in den Sinn gekommen. Nicht beim Vertrauen in Personen, das ist etwas ganz Eigenes, sondern beim Vertrauen in Institutionen. Da war in letzter Zeit viel von Vertrauenskrisen die Rede. Beim Fall Edathy, beim ADAC, und nicht zuletzt bei der katholischen Kirche. Kann ich Institutionen vertrauen? Institutionen sind so abstrakte Gebilde: die Partei, der ADAC, die Kirche. Und doch bestehen sie alle aus Menschen. Menschen, die für etwas stehen: in einer Partei dafür, dass sie meine politischen Interessen vertritt. Beim ADAC, dass ich mich auf seine Tests und seine Pannenhilfe verlassen kann. Und in der Kirche, dass ich bei ihr mit meinen religiösen Bedürfnissen gut aufgehoben bin. Das gibt den Institutionen eine große Verantwortung. Weil sie etwas besser können als ich, mehr wissen als ich und mehr haben als ich: Macht und oft auch Geld. Und weil ich eben nicht alles selber habe oder kann, muss ich mich ihnen anvertrauen. Das entlastet mich, ist aber auch ein Risiko, weil Institutionen eben aus Menschen bestehen und die sind fehlbar. Ich will weder auf Menschen mit dem Finger zeigen, die Vertrauen enttäuscht haben, noch will ich ihr Fehlverhalten klein reden. Denn unsere Gesellschaft braucht ein Mindestmaß an Vertrauen. Und der Vertrauensbruch einer Institution knackt auch immer das Vertrauen in Institutionen überhaupt an. Damit hier kein grundsätzliches Misstrauen entsteht, ist es wichtig, dass Institutionen kontrolliert werden. Wenn das Vertrauen doch einmal beschädigt ist, dann braucht es viel Zeit bis es wieder wächst. Und es braucht, nach dem Eingeständnis der Fehler und der glaubwürdigen Entschuldigung, auch eine behutsame Pflege der gestörten Beziehung. Dazu gehört – und dabei denke ich nicht nur, aber besonders an die katholische Kirche – sich auf Augenhöhe zu den Menschen begeben. Sie ernst nehmen, ihnen zuhören. Keine moralischen Ratschläge auf ungestellte Fragen geben, sondern sich anfragen lassen. Und mit Macht, mit welcher auch immer, äußerst kritisch umgehen. Denn sie ist immer geliehen. Von uns Einzelpersonen. Und die, denen wir sie geliehen haben, sind so stark und so schwach wie wir selbst…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17228
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