SWR3 Gedanken

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Ich bin zum Gespräch bei einer alten Dame eingeladen. Sie ist 86 und erzählt mir von ihrem Leben. Ich kriege mit, was sie erlebt hat. Sie und ihr Mann haben mehrere Kinder. Eine Tochter war behindert und ist mit Anfang zwanzig gestorben. „Das war das Schlimmste“, erklärt sie. Dann hat ihr Herz nicht mehr mitgemacht, sie musste zurückschrauben - für eine Bäuerin ist das hart.

Jetzt bereitet sich die alte Dame darauf vor, zu sterben. „Es muss nicht sofort sein“, sagt sie, „kann es aber“. Sie ist bereit.

Kann man irgendwann bereit sein für den Tod?

Zum Schluss sagt sie: „Ich habe zehn Jahre gebraucht, um mein Leben zu verschaffen. Die letzten zehn Jahre habe ich jeden Tag hart daran gearbeitet. Aber ich hab´s geschafft und jetzt habe ich einen klaren Blick auf mein Leben. Ich bin bereit zu gehen.“

Szenenwechsel - 2000 Jahre früher:

Acht Tage nach der Geburt gehen Maria und Josef mit ihrem neugeborenen Sohn Jesus in den Tempel. Dort passiert etwas Unerwartetes: ein alter Mann geht auf sie zu und nimmt den Säugling in seine Arme. Er beginnt laut zu beten und sagt: „Meine Augen haben das Heil gesehen. Jetzt kann ich in Frieden sterben.“

Der alte Mann heißt Simeon und er weiß schon lange, dass er nicht früher stirbt, bis er den neugeborenen König, den Retter sehen kann. Jetzt ist es soweit.

Simeon sagt: „Meine Augen haben das Heil gesehen.“

Ich glaube, mit der alten Dame, bei der ich zu Besuch war, ist etwas Ähnliches passiert. Bei ihr ist in den vergangenen Jahren auch viel heil geworden. Sie musste viel verkraften und verarbeiten. Das war bestimmt ein harter Weg.

Aber ich glaube wirklich, dass sie ihr Heil jetzt sieht- und, dass sie eines Tages in Frieden sterben kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16744
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