SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Freuen Sie sich auch auf Weihnachten? Jetzt ist es bald so weit. Eigentlich. Bei manchen habe ich ja das Gefühl, sie feiern schon seit Wochen Weihnachten. Na ja, der Sommer war ja auch gerade vorbei, da lagen schon wieder die ersten Weihnachtssachen in den Läden. Und ich weiß gar nicht, wie viele Weihnachtslieder ich schon gehört habe!
Also, ich brauche noch etwas Zeit. Ich hebe mir "Stille Nacht" für Heiligabend auf. Ich brauche Zeit, damit Weihnachten langsam bei mir ankommen kann. Damit ich mich wirklich von Herzen freuen kann.
Ein älterer Herr hat mir neulich ein Kärtchen geschenkt, das seitdem bei mir auf dem Schreibtisch steht. Darauf steht ein Satz, der mir hilft, Advent zu feiern und mich auf Weihnachten einzustimmen.
Der Satz geht so: "Freuet euch in dem Herrn allewege und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe."
Diese Worte stehen in der Bibel. Der Apostel Paulus hat sie geschrieben. An seine Lieblingsgemeinde: in Philippi. Das war eine Stadt in Nordgriechenland. Dort hat er die erste christliche Gemeinde in Europa gegründet. Man steht in herzlichem Kontakt miteinander und Paulus möchte seine Freunde in Philippi gerne wieder besuchen. Das geht aber gerade nicht, weil er im Gefängnis sitzt. Wo genau, das wissen wir heute nicht mehr. Wahrscheinlich in Rom. Von dort wird er bis zu seinem Tod nicht mehr wegkommen.
Paulus sitzt im Gefängnis und denkt an seine Freunde. Wenn er da jetzt Angst hätte oder wenn er vielleicht wütend oder verzweifelt wäre – das könnte ich gut verstehen. Aber Freude?!
Eine irre Geschichte! Darüber muss ich immer wieder nachdenken, jetzt im Advent. Der Satz von Paulus lässt mir keine Ruhe mehr. Ein Gefängnis, das ist ja nun weiß Gott kein Ort für fröhliche Luftsprünge. Schon gar nicht, wenn man da unschuldig sitzt, wie Paulus. Aber was er da seinen Freunden schreibt, das klingt doch wirklich wie ein Luftsprung: "…und abermals sage ich: Freuet euch!"
Paulus weiß aber, warum er sich so freut: "Der Herr ist nahe." Wie schlimm es auch kommt, ich bin nicht allein. Was auch passieren mag, ich vertraue auf Gott. Und deswegen habe ich allen Grund zur Freude, auch im Gefängnis!
Paulus weiß nicht, was auf ihn zukommt. Er muss das Schlimmste befürchten. Doch weil Gott für ihn so nah ist, verliert das Schlimmste seinen Schrecken.
Dagegen geht es mir ja wirklich gut! Doch diese Freude und dieses Gottvertrauen kann ich von Paulus lernen! Dieses Gefühl: Gott ist bei mir, dann werde ich schon schaffen, was auf mich zukommt.
So möchte ich mich auch freuen können. Und ich möchte dieses Gefühl mit anderen teilen. Möchte mit dafür sorgen, dass unsere Welt ein Ort ist, wo der Himmel zu Besuch kommen kann. Dann wird Weihnachten!

Das wäre richtiges Weihnachten für mich: Wenn es nur noch Grund zur Freude gäbe! Wenn alles aus dem Weg geräumt wäre, was Menschen daran hindert, sich von ganzem Herzen zu freuen!
Aber, noch ist es nicht so weit. Und ich kenne nicht wenige, die winken jetzt ab: Das wird auch nie so kommen! Das wäre ja der Himmel auf Erden!
Richtig. Das wäre Weihnachten. Der Himmel kommt auf die Erde. Und jetzt ist Advent. Das ist die Zeit, wo wir uns darauf vorbereiten dürfen, dass es einmal gut wird. Wo wir schon mal üben können, uns zu freuen! Und diese Freude mit anderen zu teilen, damit der Himmel wirklich zu uns kommt. Damit endlich Weihnachten wird.
Zum Beispiel für die vielen Flüchtlinge, von denen wir immer wieder in den Nachrichten hören. Die machen sich auf den Weg – viele übers Meer - weil sie die katastrophalen Lebensverhältnisse in ihrer Heimat satt sind. Die wollen endlich zeigen, was in ihnen steckt. Wollen eine Chance zum Leben haben. Heute gibt es solche Chancen zum Beispiel bei uns in Deutschland. Früher gab es sie in anderen Ländern. Und Millionen sind aus Deutschland dorthin geflüchtet.
Paulus hat übrigens seinerzeit etwas ganz Ähnliches erlebt wie die afrikanischen Flüchtlinge heute. Er war als Gefangener auf dem Weg über das Mittelmeer nach Rom. Und da geriet sein Schiff in Seenot und ging unter. Wie manche der Flüchtlingsschiffe heute. Doch von dem Schiff, auf dem Paulus fährt, können sich alle an Land retten. Sie kommen in Malta an. Und dort haben die Leute keine Angst vor den Schiffbrüchigen. Sie heißen die Fremden vielmehr herzlich willkommen und helfen ihnen.
Ein herzliches Willkommen. Genauso haben es in diesem Jahr ein paar syrische Flüchtlinge erfahren – in einer Kirchengemeinde hier bei mir in der Nähe. Junge Männer, die eines Tages in der Kirche standen und gefragt haben, ob sie irgendwo mit anpacken können. Einer von ihnen hatte so Schlimmes hinter sich und solche Angst, dass er schließlich ins Krankenhaus eingewiesen werden musste. Da bekommt man eines Abends in der Gemeinde einen Tipp, dass der junge Mann am nächsten Morgen abgeholt und in ein Abschiebegefängnis gebracht werden soll. Noch am gleichen Abend holen die Pfarrerin und eine Ärztin den Syrer aus dem Krankenhaus und lassen ihn in der Kirche wohnen, bis die Behörden einlenken. Nun darf er bleiben und darauf warten, dass sein Asylantrag entschieden wird.
Ich finde: So wird Weihnachten! So kommt der Himmel auf die Erde! So können Menschen spüren, dass Gott ihnen nah ist.
Ich will versuchen, das nicht zu vergessen. Dafür will ich mir Zeit nehmen – in all dem vorweihnachtlichen Rummel dieser Tage. Und ich will die Augen aufhalten und mich kümmern, wo einer die Nähe Gottes nicht spüren kann. Unsere Welt hat Freude so nötig!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16608
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