Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In zwölf Stunden geht's los: Um 18.00 Uhr eröffnen die Nationalmannschaften von Polen und Griechenland im Nationalstadion von Warschau die Fußball-Europameisterschaft. Ab morgen Abend gehen dann auch Jogis Jungs auf Titeljagd. Ob es diesmal klappt mit dem ganz großen Erfolg?
Das ist aber nicht die einzige Frage in diesen Tagen und Wochen. „Darf man dieses Sportereignis überhaupt unterstützen?", fragen viele. Wo doch in der Ukraine Regimegegner im Gefängnis sitzen, und wo es dort auch sonst nicht so weit her scheint mit der Demokratie ... „Kann man da ein Fußball-Fest feiern?"
Mir persönlich gehen auch noch die letzten Spiele der Bundesliga-Saison durch den Kopf. In Karlsruhe war ich selbst im Stadion, als es nach dem Abpfiff zu schlachtartigen Szenen kam. Später wurden Dutzende verletzt. In Frankfurt, Köln und Düsseldorf lief es kaum besser. Auch da kommt mir diese Frage: „Kann man da einfach weitermachen mit der EM - und jetzt ein Fußball-Fest feiern?"
Man kann, glaube ich. Und noch mehr: Wir sollten sogar feiern. Jetzt erst recht. Ein Vorbild dafür finde ich im Buch der Offenbarung, ganz hinten in der Bibel. Der Seher Johannes erzählt da von Streit und Auseinandersetzung, von Kämpfen und Kriegen, die er kommen sieht. Aber dann, mitten in dieser Schilderung, fängt er nochmal neu an. Und erzählt von einem göttlichen Friedensreich [vgl. Offenbarung 20,1ff.]. Mitten im Chaos sieht er ein Friedensreich, das den unterdrückten Menschen Schutz gibt.
Für diesen Frieden gibt es keinerlei Anlass. Nicht bei Johannes, und auch nicht für uns heute. Frieden ist einfach dort, wo man ihn feiert. Auf den ersten Blick klingt das naiv. Vielleicht sogar zynisch. Aber wo Frieden gefeiert wird, und sei es ohne Grund, da breitet er sich weiter aus. Frieden steckt an.
Sport und Frieden hingen schon immer eng zusammen. Auch die alten Griechen wussten um eine Friedenspflicht während der Olympischen Spiele. Wenn der Sport im Mittelpunkt stand, dann musste die Gewalt schweigen. Sport bedeutet Auseinandersetzung und Leidenschaft. Aber eben auch die Möglichkeit, dass sich Gegner respektieren und in die Augen blicken können.
Deshalb freue ich mich auf die Europameisterschaft. Ich werde mitfeiern, wenn der Ball rollt. Und zwischen den Spielen werde ich kritisch hinschauen - und auch meinen Mund aufmachen, wenn es nötig ist. Wer den Frieden schon feiert, kann das vielleicht sowieso viel besser.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13170
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