SWR2 Wort zum Tag

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Hiob ist ein faszinierender Mensch. Seine Geschichte findet sich in der Bibel. Das Leben lastet auf ihm und bedrückt ihn. Aber es kann ihn nicht beugen und stumm machen. Dabei sind die Schläge, die das Leben ihm zumutet, so, dass ein Mensch daran verzweifeln könnte. Kurz nacheinander hat Hiob seine Frau verloren und seine Kinder, seine wirtschaftliche Existenz bricht zusammen und dann wird er auch noch schwer krank.
Alles ändert sich, nichts von dem bleibt, was dem Leben Sinn und Freude gibt. Das Leben wird bodenlos. Solche Erfahrungen können einen ganz klein machen. Krank. Dass man nichts mehr dagegen tun kann oder sogar will. Für einen Moment sieht es auch bei Hiob so aus, als würde er kapitulieren, erzählt die Bibel. Als würde es sich zurückziehen hinter eine dunkle Wand aus Schweigen. Das Lebensfazit, das er zieht, lässt es befürchten:
Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume, welkt und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.
Das Leben: Eine schiefe Ebene von der Geburt zum Tod.
Wenn es so ist, bleibt einem da anderes, als sich stumm der Macht des Schicksals zu ergeben? Und die hellen Momente, die es einem gönnt, zu genießen?
Kann das alles sein? Nein, ist es nicht. Leben ist mehr. Der Mensch ist mehr. „Ich bin mehr.“ Hiob besteht darauf. Er protestiert bei Gott gegen sein Geschick. Er findet seine Sprache wieder. Hiob drückt sein Unglück aus. Er redet, wie ein Strom stürzt es aus ihm. „Ich bin doch Dein Geschöpf.“ Darum ergibt er sich nicht in das Schicksal. Er richtet sich auf. Gegen die Lebensumstände wendet er sich an seinen Gott, der ihm so fremd und dunkel geworden ist. Aber den er doch ganz anders kannte. „Du, Gott, wie kann das sein? Mein Leben ist doch mehr als eine schiefe Ebene hin zum Tod voller Leid und Unglück?“ klagt er.
Hat das einen Sinn, sich bei Gott über das Leben zu beklagen? Ich glaube, ja. Die Bibel lehrt zu unterscheiden: Die Wirklichkeit ist nicht gleich Gott. Ja, das Leben ist grundsätzlich von Gott gegeben, aber es ist nicht gottgegeben, wie es ist, und nur stumm zu akzeptieren. Gott ist für die Bibel kein schicksalhaftes „Es“, er ist ein „Du“, den man gegen das Schicksal, gegen Leid und Unrecht anrufen kann.
Damit öffnen sich im Leben Türen, wo sich alles verschlossen hatte. Hiob muss sich nicht abfinden. Er kann mit aller Energie hoffen, dass es wieder anders wird. Er kann nach Hilfe suchen.
Und noch etwas: Hiob versteht: Das Leben ist keine schiefe Ebene zum Tod. Das Leben bewegt sich auf Gott zu. Der Tod ist nicht das letzte Ziel. Gott hat mehr versprochen. Mehr Leben. Erfülltes Leben. Hier und danach.
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