SWR2 Wort zum Tag

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Heute am Reformationstag erinnern die evangelischen Christen an Martin Luther, der im Jahr 1517 mit seinen Thesen zu Ablass und Buße einen Prozess der Reform angestoßen hat. Daraus entstanden im Laufe der Zeit eigenständige, von der römisch-katholischen Kirche getrennte, wie wir heute sagen, evangelische Kirchen.
Das Aufeinanderzugehen der christlichen Kirchen, die ökumenische Bewegung, ist ins Stocken geraten, sagen inzwischen nicht wenige. Sie sagen es mit Bedauern, manche mit einem Unterton von Resignation und mit dem Vorwurf an die Verantwortlichen: sie müssten mehr tun, damit die sichtbare Einheit der Christen das Zeugnis des Evangeliums in der heutigen Welt glaubwürdiger mache. Fragen wir nach dem Beitrag, den wir selbst zur Einheit der Christen leisten können, dann erweist sich ein Gedanke aus dem Dokument „Dialog und Verkündigung“ als hilfreich: „Die Wahrheit unseres Glaubens – heißt es dort - gleicht nicht einer Sache, die wir besitzen, sondern einer Person, der wir zugestehen, dass sie von uns Besitz ergreift.“ (Dokument Dialog und Verkündigung, Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog, 19. Mai 1991)

Dieser Satz lässt aufhorchen. Glaube – nicht eine Sache, die wir besitzen, sondern eine Person, der wir zugestehen, dass sie von uns Besitz ergreift. Der Glaube an Gott und das Evangelium ist also in erster Linie nicht das, was wir darüber sagen können, die Lehren, die man formuliert und bekennt, um die man redlich ringt und, wenn nötig, auch streitet. Sondern Glaube beginnt dort, wo jemand wahrnimmt, dass Gott ihm zugewandt ist. Dass Gott auf vielerlei Weise ein Wort an ihn richtet, ein liebendes Wort, das stärkt und Zuversicht schenkt, so dass der Mensch sich daraufhin selbst Gott zuwendet, der eigenen Sehnsucht Raum gibt, Gott anruft – dankbar, zweifelnd, bittend – wo er wach wird und offen für die Hinweise des Evangeliums. Glaube beginnt, wo der Mensch Gott Platz einräumt in seinem Leben, und einwilligt, dass Gott von ihm Besitz ergreift, - dem ähnlich, was Menschen tun, die einander lieben.
Das Auseinandergehen von evangelischen und katholischen Christen im 16. Jahrhundert hatte mit der Notwendigkeit der Reform der Kirche zu tun. Der Reformationstag lässt jeweils daran denken, dass auch das Aufeinanderzugehen der christlichen Kirchen heute mit der Reform des Glaubens zu tun hat. Menschen, die sich ergreifen lassen von der Wirklichkeit Gottes, so wie sie sich im Evangelium Jesu Christi manifestiert, werden Worte und Wege finden, um die Einheit, die ihnen von Christus her immer schon gegeben ist, auch nach außen zu zeigen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=216
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