Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Manchmal könnte man verzweifeln. Alles und jeder zerrt an einem, nichts und niemandem kann man wirklich gerecht werden. Die Anforderungen von Familie und Beruf stehen sich un-versöhnlich gegenüber. Kinder und Kollegen, Freunde und Firma – alle haben ihre berechtigten Ansprüche. Doch der Tag müsste mehr als 24 Stunden haben, wenn man dem allem auch nur annähernd entsprechen wollte. Und dann hat man noch nichts für sich selbst getan, für die eigene Gesundheit, das kleine Hobby, oder einfach nur ausgespannt. Jede Entscheidung, die den einen Lebensbereich bevorzugt, muß den anderen zwangsläufig benachteiligen. Diese Ausweglosigkeit kann einen schon nervös machen.
Ein Kirchenlied nimmt diese Situation auf und formuliert dazu:
Eh wir entscheiden ja und nein,
gilt schon für uns: gerettet sein!
Dank sei Dir, daß das Heil der Welt
nicht mit uns selber steht und fällt.
Das Lied vermittelt eine doppelte entlastende Botschaft. Zum einen werden die Maßstäbe wie-der zurecht gerückt: Das Heil der Welt hängt nicht nur von uns ab, auch nicht im Privaten und Beruflichen. Denn wir sind nicht alleine, sondern um uns sind andere Menschen, die für unsere Situation vielleicht mehr Verständnis haben als wir selbst und bereit sind uns entgegenzu-kommen. Und da ist Gottes guter Geist, der das Heil der Welt will und wirkt, auch wenn wir selbst ratlos oder kraftlos sind.
Zum anderen schauen wir auf die Anforderungen des Alltags nicht aus der Perspektive der Ausweglosigkeit, sondern – wie das Lied es formuliert – als Gerettete. „Eh wir entscheiden ja und nein, gilt schon für uns: gerettet sein!“
Das macht all das, was an uns zerrt und zieht und wofür wir Verantwortung tragen, nicht ge-ringer, vielleicht nicht einmal leichter. Aber diese Botschaft kann das Gefühl der Machtlosigkeit und Überforderung auflösen. Sie kann so etwas wie eine aufmerksame Gelassenheit in den Alltag bringen. Aufmerksam, weil wir unsere Angelegenheiten und die Menschen um uns nach wie vor ernst nehmen. Gelassenheit, weil wir gleichzeitig darauf vertrauen dürfen, dass wir nicht alleine sind in unseren Bemühungen. Und dass wir als Gerettete etwas wagen und pro-bieren dürfen, ohne uns durch die Angst vor der Unzulänglichkeit unseres Tuns lähmen zu las-sen. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen einen Tag, der geprägt ist von aufmerksamer Gelas-senheit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=201
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