SWR1 Begegnungen

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Bolivien ist ein Land, in dem es in den letzten Jahren immer wieder heftige politische Auseinandersetzungen und soziale Unruhen gab. Seit einem knappen Jahr steht mit Evo Morales ein Mann an der Spitze des ärmsten südamerikanischen Landes, der vor allen durch sein Ankündigungen, wichtige Wirtschaftszweige des Landes verstaatlichen zu wollen, für Schlagzeilen sorgt. Seit drei Jahren arbeitet Michael Meyer in Bolivien. Er ist Partnerschaftsbeauftragter der Bistümer Trier und Hildesheim bei der Bolivianischen Bischofskonferenz. Bruno Sonnen hat ihn bei einem Besuch in Trier getroffen.


Teil 1

Über vierzig Jahre alt ist die Beziehung zwischen Trier und Bolivien mittlerweile, und anfangs war es eher eine Patenschaft als eine Partnerschaft. Das Bistum Trier schickte Priester und Ordensleute als Seelsorger nach Bolivien und unterstützte die junge Ortskirche des Landes durch Bildungs-, Erziehungs- oder Gesundheitsprojekte. Heute ist aus der Einbahnstraße der Hilfe eine lebendige gleichberechtigte Beziehung, eine Partnerschaft auf Augenhöhe geworden, an der sich auch das Bistum Hildesheim beteiligt.
Natürlich unterstützen die reichen Diözesen des Nordens ihre materiell ärmeren Glaubensgeschwister im Süden weiterhin finanziell. Doch mindestens ebenso wichtig sind die persönlichen Begegnungen und Kontakte, der Austausch von Mensch zu Mensch. Das macht heute das Arbeitsprofil von Michael Meyer aus: neben Projektförderung und -verwaltung Kontakte knüpfen, Begegnungsreisen von Bolivianern nach Deutschland und von Deutschen nach Bolivien organisieren, sich um junge Freiwillige kümmern, die in einem sozialen Projekt in Bolivien arbeiten. Arbeit, die dem 29 Jahre alten Saarländer großen Spaß macht.
Also am meisten Spaß macht der konkrete Austausch oder die Begegnung mit den Menschen. Bolivien ist ein unheimlich vielfältiges Land, ein sehr großes Land mit über 30 Ethnien und Kulturen und es ist einfach ne Freude, dieses Land näher kennen zu lernen, mit den Menschen in Kontakt sein, so die Unterschiede auch mitzubekommen zwischen Hochland und Tiefland, ja einfach zu sehen, wie viel Kultur da ist in diesem Land.
Bolivien ist ein armes Land, das ist zuerst mal schockierend. Auf der anderen Seite aber mitzubekommen, dass trotz der Armut viele Bolivianer unheimlich zufrieden sind mit ihrem Leben, eine Gelassenheit ausstrahlen und sehr gastfreundschaftlich und sehr herzlich sind, und das mitzubekommen, das macht wirklich Freude bei der Arbeit.
Vertreter zweier deutscher Bistümer in Bolivien. Das Büro in der Millionenstadt La Paz, auf etwa 4000 Metern Höhe gelegener höchster Regierungssitz der Welt. Es ist in ziemlich einzigartiger Job, den Meyer macht. Begonnen hat alles mit der Kleidersammlung für Bolivien, mit deren Erlös der Bund der deutschen katholischen Jugend kurz BDKJ im Bistum Trier seit vielen Jahren Projekte in Bolivien finanziell unterstützt.
Ich komm aus der katholischen Jugendarbeit, ich hab Bolivien kennen gelernt über die bekannte Alt-Kleidersammlung des BDKJ, hab dann von den Begegnungsreisen des BDKJ auch gehört und war 1995 schon bei einer der ersten Begegnungsreisen dabei, als die Bolivianer hier in unseren Gemeinden waren und 1997 war ich mit einer Begegnungsreise des BDKJ auch in Bolivien und das war eine Schlüsselerfahrung für mich. Die Reise hat mich fasziniert, Bolivien hat mich fasziniert, ja und die Reise stand vor Beginn meines Theologiestudiums, und während dem Studium hat sich Bolivien dann wie ein roter Faden auch durch mein Studium gezogen, und so ist dann irgendwann auch die Frage gereift, wäre es nicht sinnvoll und interessant eine Diplomarbeit zur Bolivienpartnerschaft zu schreiben. Ja, das habe ich dann getan. Ich habe eine Arbeit geschrieben in Pastoraltheologie über den Austausch zwischen Trier und zwischen Bolivien mit der Frage: Was kann die deutsche Kirche von Bolivien lernen? Ich habe die Arbeit geschrieben, habe mein Diplom gemacht und just zu dieser Zeit wurde dann die Stelle des Partnerschaftsbeauftragten frei, so dass ich jetzt sagen kann, ich versuche die Theorie in die Praxis umzusetzen
Bei allen Schwierigkeiten den Mut nicht zu verlieren, das ist es, was die alte deutsche von der jungen bolivianischen Kirche lernen kann, sagt Meyer:
Bolivien ist eine junge Kirche mit viel Enthusiasmus, mit viel Bewegung, mit positiver Bewegung. Viele Leute in Bolivien gehen mit ihrem Glauben sehr unverkrampft um, haben viel Hoffnung, sind sehr lebendig und das steckt an, und ich glaub das ist ein Punkt, den die bolivianische Kirche auch hier in Deutschland zurückmelden kann vor allem auch angesichts der oft resignativen Stimmung hier in den deutschen Bistümern.


Teil 2

Bolivien ist in den letzten Jahren immer mal wieder in die Schlagzeilen geraten, und es waren meist keine guten Nachrichten. Demonstrationen und Proteste, Straßenschlachten und gewalttätige Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten, all das war und ist Ausdruck der tiefen Kluft zwischen einer kleinen reichen Elite und der Masse der Bevölkerung, in Bolivien vor allem die einheimischen Ethnien der Quechua, Aymara und Guarani. Michael Meyer:
Ich bin drei Jahre jetzt in Bolivien und hab in dieser Zeit schon vier Staatspräsidenten jetzt erlebt. Das heißt: in Bolivien ist sehr viel los und sehr viel in Bewegung.
Ich habe manchmal den Eindruck, in Bolivien gärt es richtig und es sind so viele verschiedene Konfliktherde. Momentan haben wir ja die Situation, dass der neue Staatspräsident Evo Morales mit einer sehr großen Mehrheit auch gewählt worden ist im Dezember des letzten Jahres und an sich stehen viele Leute, breite Bevölkerungsschichten hinter Evo Morales. Die Wahl im Dezember 2005 war allerdings auch eine Protestwahl, wo man gesagt hat: So, die etablierten Parteien haben ausgedient, wir wollen einfach Evo Morales unterstützen; er ist jetzt dran, mal schauen, was er bringt und was er kann.
Mit seiner Politik der Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftszweige wie Öl- und Gasindustrie hat sich Morales und seine Partie, die Bewegung für den Sozialismus, international bisher nicht gerade Freunde gemacht. Innenpolitisch legte er sich auch mit der katholischen Kirche an, indem er den Religionsunterricht an staatlichen Schulen in Frage stellte. Das löste heftige Kontroversen aus.
Es gab dann ein Schlichtgespräch zwischen den Bischöfen des Landes mit der Regierung, ja mit dem Erziehungsminister auch und es hieß dann, das Erziehungssystem wird so weitergehen wie bisher und der Religionsunterricht wird nicht abgeschafft.
Morales tat gut daran, den Konflikt mit der Kirche schnellstens beizulegen, sagt Meyer, den die spielt eine zentrale Rolle in der bolivianischen Kirche
Die Kirche ist eine wichtige Vermittlerin in den sozialen Konflikten und die Kirche ist die Organisation, die in der bolivianischen Zivilgesellschaft das höchste Vertrauen genießt. Viele Leute stehen zu dieser Kirche und sagen: Das ist die einzige Organisation, der man noch vertrauen kann auch.
Wohin die Reise geht in Bolivien, welche Entwicklung das Land politisch, wirtschaftlich und sozial nehmen wird – eine Prognose ist derzeit nicht wirklich möglich, sagt Michael Meyer. Er und seine Mitstreiter in der Partnerschaftsarbeit wollen auf jeden Fall ihren Teil zu einer friedlichen Entwicklung beisteuern:
Wir überlegen, dass wir in den nächsten beiden Jahren das Thema „eine Friedenskultur für Bolivien“ angehen und zu sagen: in der politischen Situation, in der Bolivien jetzt steckt ist das Thema ungemein wichtig. Also: wie geht das Leben in Bolivien weiter so dass die Bolivianer auch für sich friedlich weiterleben können – weil wir immer wieder das Stichwort »Bürgerkrieg« auch hören in Bolivien. Ich denke, dieses Thema einer Friedenskultur für Bolivien wäre so eine Thema, das den Bolivianern auch wichtig wäre in der Partnerschaftsarbeit. https://www.kirche-im-swr.de/?m=198
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