SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Der Monat November ist dem Totengedenken gewidmet. Wir erinnern uns, wie viel wir Menschen verdanken, die vor uns gelebt haben – vertrauten und geliebten Menschen und auch den ungezählten unbekannten. Auch wenn sie mit den Jahren ins Namenlose zu-rücksinken – sie waren doch unverwechselbar einmalige Menschen, und ohne die Le-bensgeschichte jedes einzelnen von ihnen wäre die Welt und oft auch mein eigenes Leben anders, als wenn sie nicht gelebt hätten. Sie hinterlassen auch ungelöste Fragen und ungeklärte Probleme, mit denen wir Nachgeborenen fertig werden müssen. Und sie erinnern uns an unsere eigene Endlichkeit und an unsere Verantwortung für das eigene Leben.
Einen starken Kontrast dazu stellen die Bilder der Soldaten in Afghanistan dar, die mit den sterblichen Überresten von Menschen in verhöhnender Weise umgegangen sind. Zu Recht hat dies einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Nun kann man sich fragen: Müssten wir uns nicht viel mehr empören, aufschreien angesichts der Verhöhnung Le-bender, angesichts des tagtäglichen gewaltsamen Sterbens unschuldiger Menschen? Wir sind gegenüber dem Leid und dem Sterben anderer oft erschreckend gleichgültig. Fast nur die extremen Ereignisse nehmen wir noch wahr. Vielleicht können wir gar nicht an-ders.
Hat das eine mit dem anderen etwas zu tun? Ja, ich denke schon. Die Achtsamkeit ge-genüber dem Leben anderer Menschen drückt sich auch in der Ehrfurcht vor der Würde der Toten aus. Und die Geringschätzung, der das Leben von Menschen oft ausgesetzt ist, spiegelt sich in der Gedankenlosigkeit wider, mit der ihre sterblichen Überreste behandelt werden. Es spielt keine Rolle, dass es sich dabei um die zerstreuten Gebeine Namenloser handelt. Auch sie waren einmal Menschen, die ihr unverwechselbares Leben gelebt ha-ben, die geliebt, gehofft, gelitten haben. Die anderen Menschen etwas bedeutet haben. Auch ihr Leben hat eine einzigartige Bedeutung, und ohne sie wäre die Welt anders. Auch ihre toten Gebeine erinnern daran, was jüdischer, christlicher und muslimischer Glaube bekennt: "Du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. ... Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen. Deine Augen sahen, wie ich entstand; in deinem Buch war schon alles verzeichnet." (Ps 139, 13.15-16)
Das ehrende Andenken der Toten, jedes Menschen, der auch in seinem Tod einmalig bleibt, hat sehr viel zu tun mit der Ehrfurcht vor dem Leben und der Achtsamkeit gegen-über den Lebenden. https://www.kirche-im-swr.de/?m=197
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