SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW


Ein Mönch lebte schon viele Jahre in einem Kloster. Oft las er in einem alten Buch. Darin war vermerkt, dass es am Ende der Welt einen Ort gebe, an dem der Himmel und die Erde sich berührten. Der Mönch beschloss, diesen Ort zu suchen und so lange unterwegs zu bleiben, bis er ihn gefunden hätte. So zog er aus und durchwanderte die Welt. Dabei bestanden er unzählige Gefahren und musste all die Entbehrungen erleiden, die eine solche Wanderung durch die Welt mit sich bringt. Er musste auch viele Versuchungen bestehen, die einen Menschen von solchem Vorhaben und Ziel abbringen wollen. An jenem Ort, so hatte der Mönch gelesen, sei eine Tür. Man müsse an ihr klopfen. Hinter der Türe befinde sich das Paradies; dann sei man bei Gott. Der Mönch fand schließlich, was er suchte. Er klopfte demütig an die Tür, diese öffnete sich. Und als er eintrat und die Pforte durchschritten hatte, siehe da: Da war er wieder in seinem Kloster und in seiner Klosterzelle. (Nacherzählt von Erich Legler, Geschichten aus dem Leben, Schwabenverlag 1985, S. 34-35) So gelegentlich können einen schon paradiesische Anwandlungen überkommen, Träume vom großen Glück, vom ganz anderen, besseren Leben, das sich scheinbar immer nur dort befindet, wo ich nicht bin. Doch: ob diese Flucht aus der konkreten Wirklichkeit fromm oder unfromm ist – sie entspricht nicht unserer menschlichen Bestimmung. Der Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren, ist immer der Ort, an dem ich hier und jetzt bin. Für die allermeisten ist dort, wo sie sind, der Ort, an dem sie leben und arbeiten, Familie haben oder alleine sind, an dem sie krank sind oder fröhlich. Und wie entdecke ich in meinem Alltag, dass sich Himmel und Erde berühren? – In Menschen, die mir wichtig sind. In der Arbeit, die mich erfüllt. In den Kindern und Enkeln, die Freude machen. Und in dieser konkreten Situation kann mir Jesus eine Hilfe sein. Ich darf seiner Zusage vertrauen: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Matthäus 28,20) Ich bin keinem ungewissen, blinden Schicksal überlassen. Diese Zusage Jesu holt mich auch zurück auf den Boden, wenn ich Gefahr laufe abzuheben. Sie macht mir immer wieder Mut: Bleib der Erde treu! Sei hier auf Erden, an deinem Platz beständig und zuverlässig!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=175
weiterlesen...